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Die Idee der Universität. Für die gegenwärtige Situation entworfen [1961]
mer Idee bleibt aus, aber vielleicht ist doch durch Vernunft von ferne zu hören, daß
dort etwas Wesentliches ist. Jedenfalls hat der Wählende sich aufzuschließen und
nicht sich bequem auf das Verwandte zu beschränken. Dabei ist die physiognomische
Anschauung bis zur graphologischen Erhellung nächst der Objektivität der geistigen
Leistung nicht zu vernachlässigen.
144 | 3. Auswahl durch Wahl seitens einer begrenzten Gruppe. Eine dritte Möglichkeit der
Auswahl wäre die Wahl durch Majorität etwa seitens einer Gruppe, die ihren Lehrer
wählt. Das Wählen der eigenen Lehrer aber (z.B. Wahl der Professoren durch Abstim-
mung seitens der Studenten) ist nicht notwendig. Es kann nichts Gutes dabei heraus-
kommen, wenn jemand den wählt, der im Examen über ihn zu Gericht sitzen wird.
Außerdem werden Schüler solche Qualitäten auswählen, die ihnen in die Augen ste-
chen: erotische Eigenschaften, die unbewußt wahrgenommen sind, Fähigkeiten di-
daktisch-organisatorischer Art, Demagogeneigenschaften. Die Majorität entscheidet
nach Qualitäten der »Blender«. Wohl hat gute Jugend den unbestechlichen Sinn da-
für, ob der Lehrer etwas kann, ob er souverän ist, ob man bei ihm etwas lernen könne,
ja auch für den geistigen Rang. Sie hat den Instinkt für das Echte. Aber diese Jugend
wird bei Wahlen nur selten die Majorität besitzen.
Wahlen durch eine Gruppe sind unumgänglich bei Korporationen, die sich durch
neue Glieder ergänzen, so bei den Fakultäten. Hier liegt der entscheidende Punkt für
das Leben der Universität: die Auswahl der Persönlichkeiten bei Habilitationen und
Berufungen.
Die drei Auslesemethoden - Examina, persönliche Wahl, Wahl durch Majoritäten
- haben alle ihre Mängel. Sie sind ebenso unvermeidlich wie unzuverlässig. Man sollte
sie soweit möglich ihrer absoluten Endgültigkeit berauben und jedenfalls Raum lassen
für neue und andere Chancen. Aber man wird nicht darum herum kommen, in den
Examinas etwas für den Erwerb oder Nichterwerb von Berechtigungen Endgültiges an-
erkennen zu müssen.
2. Staat und Gesellschaft
Die Universität besteht durch den Staat. Ihr Dasein ist politisch abhängig. Sie kann nur
leben, wo und wie der Staat es will. Der Staat ermöglicht die Universität und schützt
sie.
a) Der staats freie Raum
Die Universität verdankt ihre Wirklichkeit einer politischen Welt, in der der Grund-
145 wille herrscht, daß in ihr irgendwo eine | reine, unabhängige, unbeeinflußte Wahr-
heitsforschung stattfinde. Dieser Staat will die Universität, weil er sein eigenes Dasein
gefördert weiß, wenn in ihm der reinen Wahrheit irgendwo auch rein gedient wird.
Dagegen würde ein Staat, der keine Selbsteinschränkung seiner eigenen Macht zuläßt,
Die Idee der Universität. Für die gegenwärtige Situation entworfen [1961]
mer Idee bleibt aus, aber vielleicht ist doch durch Vernunft von ferne zu hören, daß
dort etwas Wesentliches ist. Jedenfalls hat der Wählende sich aufzuschließen und
nicht sich bequem auf das Verwandte zu beschränken. Dabei ist die physiognomische
Anschauung bis zur graphologischen Erhellung nächst der Objektivität der geistigen
Leistung nicht zu vernachlässigen.
144 | 3. Auswahl durch Wahl seitens einer begrenzten Gruppe. Eine dritte Möglichkeit der
Auswahl wäre die Wahl durch Majorität etwa seitens einer Gruppe, die ihren Lehrer
wählt. Das Wählen der eigenen Lehrer aber (z.B. Wahl der Professoren durch Abstim-
mung seitens der Studenten) ist nicht notwendig. Es kann nichts Gutes dabei heraus-
kommen, wenn jemand den wählt, der im Examen über ihn zu Gericht sitzen wird.
Außerdem werden Schüler solche Qualitäten auswählen, die ihnen in die Augen ste-
chen: erotische Eigenschaften, die unbewußt wahrgenommen sind, Fähigkeiten di-
daktisch-organisatorischer Art, Demagogeneigenschaften. Die Majorität entscheidet
nach Qualitäten der »Blender«. Wohl hat gute Jugend den unbestechlichen Sinn da-
für, ob der Lehrer etwas kann, ob er souverän ist, ob man bei ihm etwas lernen könne,
ja auch für den geistigen Rang. Sie hat den Instinkt für das Echte. Aber diese Jugend
wird bei Wahlen nur selten die Majorität besitzen.
Wahlen durch eine Gruppe sind unumgänglich bei Korporationen, die sich durch
neue Glieder ergänzen, so bei den Fakultäten. Hier liegt der entscheidende Punkt für
das Leben der Universität: die Auswahl der Persönlichkeiten bei Habilitationen und
Berufungen.
Die drei Auslesemethoden - Examina, persönliche Wahl, Wahl durch Majoritäten
- haben alle ihre Mängel. Sie sind ebenso unvermeidlich wie unzuverlässig. Man sollte
sie soweit möglich ihrer absoluten Endgültigkeit berauben und jedenfalls Raum lassen
für neue und andere Chancen. Aber man wird nicht darum herum kommen, in den
Examinas etwas für den Erwerb oder Nichterwerb von Berechtigungen Endgültiges an-
erkennen zu müssen.
2. Staat und Gesellschaft
Die Universität besteht durch den Staat. Ihr Dasein ist politisch abhängig. Sie kann nur
leben, wo und wie der Staat es will. Der Staat ermöglicht die Universität und schützt
sie.
a) Der staats freie Raum
Die Universität verdankt ihre Wirklichkeit einer politischen Welt, in der der Grund-
145 wille herrscht, daß in ihr irgendwo eine | reine, unabhängige, unbeeinflußte Wahr-
heitsforschung stattfinde. Dieser Staat will die Universität, weil er sein eigenes Dasein
gefördert weiß, wenn in ihm der reinen Wahrheit irgendwo auch rein gedient wird.
Dagegen würde ein Staat, der keine Selbsteinschränkung seiner eigenen Macht zuläßt,