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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0471
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396

Die Idee der Universität. Für die gegenwärtige Situation entworfen [1961]

ander, als Gelehrte, richten, wovon das Volk praktischerweise keine Notiz nimmt,
selbst wenn sie auch zu seiner Kenntnis gelangen, weil es sich selbst bescheidet, daß
vernünfteln nicht seine Sache sey, und sich daher verbunden fühlt, sich nur an dem
186 zu halten, was ihm durch die dazu bestellten Beamten | der Regierung verkündigt wird.
- Diese Freyheit aber, die der untern Facultät nicht geschmälert werden darf, hat den
Erfolg, daß die oberen Facultäten (selbst besser belehrt) die Beamten immer mehr in
das Gleis der Wahrheit bringen, welche dann, ihrerseits, auch über ihre Pflicht besser
aufgeklärt, in der Abänderung des Vertrags keinen Anstoß finden werden, da er nun
ein besseres Verständnis der Mittel zu eben demselben Zweck ist, welches, ohne pole-
mische und nur Unruhe erregende Angriffe auf bisher bestandene Lehrweisen, mit
völliger Beybehaltung des Materialen derselben gar wohl geschehen kann ...433
Auch kann man allenfalls der theologischen Facultät den stolzen Anspruch, daß die
philosophische ihre Magd sey, einräumen (wobey doch noch immer die Frage bleibt: ob
diese ihrer gnädigen Frau die Fackel vorträgt oder die Schleppe nach trägt); wenn man sie nur
nicht verjagt, oder ihr den Mund zubindet; denn eben diese Anspruchslosigkeit, bloß
frey zu seyn, aber auch frey zu lassen, bloß die Wahrheit, zum Vorteil jeder Wissenschaft,
auszumitteln und sie zum beliebigen Gebrauch der oberen Facultäten hinzustellen, muß
sie der Regierung selbst als unverdächtig, ja als unentbehrlich empfehlen.«434
Sieht man auf die inhaltliche Bestimmung der Philosophischen Fakultät, wie Kant
sie vorgenommen hat, so zeigen sich in ihr dem Prinzip nach alle Grundwissenschaf-
ten im Sinne der modernen Wissenschaft als Forschung in strikter Unterscheidung
von den angewandten (aber nur durch ihre ständige Befruchtung durch die Grund-
wissenschaften lebensfähigen) Wissenschaften vertreten:
»Die philosophische Facultät enthält nun zwey Departemente, das eine der histo-
rischen Erkenntnis (wozu Geschichte, Erdbeschreibung, gelehrte Sprachkenntnisse, Hu-
manistik mit allem gehört, was die Naturkunde von empirischen Erkenntnissen dar-
bietet); das andere der reinen Vernunftserkenntnis (reinen Mathematik und der reinen
Philosophie, Metaphysik der Natur und der Sitten) und beyde Theile der Gelehrsam-
keit in ihrer wechselseitigen Beziehung aufeinander. Sie erstreckt sich eben darum auf
alle Theile des menschlichen Wissens (mithin auch historisch über die obern Facultä-
187 ten), nur daß sie nicht alle (nämlich die eigenthümlichen | Lehren oder Gebote der
Obern) zum Inhalte, sondern zum Gegenstand ihrer Prüfung und Critik, in Absicht
auf den Vorteil der Wissenschaften macht.«435
Mit seiner Neubestimmung der traditionellen Unteren Fakultät zur Philosophi-
schen Fakultät der Grundwissenschaften im Sinne der modernen Wissenschaft als For-
schung hat Kant das geistige Fundament einer neuzeitlichen Universität geschaffen.
Seither erst gibt es die Idee dieser Universität. Faktisch hat Kant damit zugleich die Or-
ganisationsform der traditionellen europäischen Universität als Gelehrtenrepublik
gleichsam auf den Kopf gestellt. Denn nichts anderes bedeutet es, daß er der bis dahin
unteren Fakultät, der Artistenfakultät der mittelalterlichen Universität als Magd der
 
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