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Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Hrsg.]; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0152
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Eifersuchtswahn

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das Einzelmaterial doch gerade psychiatrisch wichtig ist, haben wir uns auf Zusam-
menfassungen am Schluß der einzelnen Krankengeschichten beschränkt. In der Dis-
position des Stoffes im Einzelfall kreuzte sich mehrfach der Gesichtspunkt, chronolo-
gisch zu berichten mit dem, zu vergleichende Einzelheiten nebeneinander zu stellen,
und mit dem, die Herkunft der Angaben hervortreten zu lassen. Zwar wäre es | zweck- 87
los, genauere Quellenangaben nach Art der Historiker zu machen, aber die allgemeine
Art der Quellen muß doch sichtbar werden.
Wir bemerken noch ausdrücklich, daß die Krankengeschichten in keiner Bezie-
hung für die angeschlossenen theoretischen Bemerkungen zurechtgestutzt sind. Viel-
mehr verfolgten wir das Ziel, ganz unabhängig von diesen in den Krankengeschichten
ein auch für andere eventuell brauchbares objektives Material zu bringen. Wir möch-
ten es als einen Vorteil angesehen wissen, daß die Krankengeschichten nicht Illustra-
tionen einer bestimmten Auffassung sind. Sie sind vielmehr ausgearbeitet im Sinne
der Worte Kraepelins: »Die gewissenhafte Zersplitterung der Formen in ihre klein-
sten und anscheinend unbedeutendsten Wandlungen ist die unerläßliche Vorstufe für
die Gewinnung wirklich einheitlicher, der Natur entsprechender Krankheitsbilder.«303
Bevor die Lebensgeschichten der beiden ersten Fälle erzählt werden, möchten wir
in gedrängter Form eine Übersicht über die jetzige Lehre von Eifersuchtswahn geben, wie
sie sich aus den gewöhnlichen Beobachtungen und der Lektüre der Autoren ergibt'.304
Man muß diese, in ihrer Kürze langweiligen und zum Teil recht selbstverständlichen
Unterscheidungen gegenwärtig haben, um für die Eigentümlichkeit des einzelnen
Eifersuchtsfalles ganz unabhängig von diagnostischen Erwägungen eine genügend
scharfe Auffassung zu besitzen. Wir besprechen nacheinander die symptomatologischen
Unterscheidungen, dann die direkte oder indirekte Beziehung zu somatischen Bedingun-
gen und schließlich sein Vorkommen bei bestimmten Formen im System der Psychosen.
Symptomatologisch angesehen, haben wir auf der einen Seite wechselnde, bald hier,
bald dort Nahrung ziehende Eifersuchtsideen, bald vergessen, bald wieder neugebil-
det, bald auf die eine, bald auf die andere Weise begründet. Demgegenüber finden wir
in anderen Fällen ein langsamer oder schneller entwickeltes System der Eifersucht mit
über Jahre festgehaltenen Beweisgründen, die kaum vergessen, nur hier und da ver-
mehrt werden. Wir können auf diese Weise von der psychologischen Eifersucht und der
krankhaften Eifersucht (mit oder ohne Grund, immer mit mehr oder weniger weitge-
hender Kritik) unterscheiden die wahnhafte Eifersucht (überall auftauchende, entspre-
chende Ideen, Beobachtungen, vergessen und neugebildet, wie oben beschrieben,

Die wichtigsten älteren Arbeiten sind von Krafft-Ebing (Jahrb. f. Psych. 10); Werner (Jahrb. f.
Psych. n); Schüller (Jahrb. f. Psych. 20). Einen sehr wichtigen Fortschritt bedeutete die Arbeit
Bries (Psych. neur. Wochenschr. 1900/1901); Wahlert (Zur Kasuistik des Eifersuchtswahns, Diss.
Greifswald 1903) bringt vier ganz verschiedene Fälle dieses Wahns. Zuletzt hat Többen (Monats-
sehr. f. Psych. 19) sich mit dem Thema beschäftigt. In den letzten drei Arbeiten findet man die
weitere Literatur.
 
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