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Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Hrsg.]; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0397
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354

Die Trugwahrnehmungen

mischen sich die aufgezeigten Gedankenmotive in mannigfaltiger Weise. Psychische
und somatische Theorien gehen Verbindungen ein und werden mit dem Sammelna-
men der psychosensoriellen Theorie bezeichnet. Jede besondere Beobachtung hat bei-
nahe besondere Konstruktionen hervorgerufen, die dann auch auf einige andere Beob-
achtungen Licht zu werfen schienen. Es ist eine große Mühe, dann überall das
Beobachtete von den Konstruktionen und besonders in den Konstruktionen die ver-
schiedenen Prinzipien zu trennen. Hat man sich einige Zeit dieser verdrießlichen
Arbeit unterzogen, so hat man solche theoretischen Konstruktionen gründlich satt,
es sei denn, daß sie eine solche begriffliche Reinheit und Konsequenz besitzen wie etwa
die von Lipps.

E. Excurse
Häufigkeit der Trugwahrnehmungen und Vorkommen bei bestimmten Psychosen
Man hat die Häufigkeit der Trugwahrnehmungen bei Geisteskranken überhaupt ge-
zählt und extrem verschiedene Resultate gefunden. Früher hat man sie für eine sehr
häufige Erscheinung gehalten, seit Hagens Kritik wurden sie als viel seltener angese-
hen. Man hat gelernt, nicht leichtfertig mit der Annahme von Halluzinationen bei der
Hand zu sein und bleibt tatsächlich in vielen Fällen zweifelhaft, ob und was für wel-
che vorliegen.
Ferner ist das Vorkommen der Halluzinationen bei Gesunden vielfach Gegenstand
304 der Diskussion gewesen (Parish), die unfruchtbar war wegen des | schwankenden
Krankheitsbegriffs. Das Vorkommen von Halluzinationen bei nicht Psychotischen ist
sicher. Besonders Fälle wie die von Nägeli, Joh. Müller u.a. dürften nicht gerade so
sehr selten sein. In neuerer Zeit berichtet Klieneberger über isolierte Gesichtstäu-
schungen bei im übrigen geistig gesunden Menschen, besonders bei Arteriosklerose,
jedenfalls im hohen Alter. Ähnliche Erfahrungen bringen in der Diskussion zu diesem
Vortrag Foerster und Bonhoeffer.
Die Häufigkeit der Sinnestäuschungen bei einzelnen Psychosen ist eine Frage, die
in die spezielle Psychiatrie gehört, ebenso wie die Frage der Häufigkeit bestimmter
Arten von Sinnestäuschungen bei bestimmten Psychosen (vgl. oben S. 338).

Verhalten der Kranken zu den Trugwahrnehmungen
Das Verhalten der Kranken zu den Trugwahrnehmungen ist hier nicht eingehend zu
beschreiben, sondern nur anzudeuten. Es hängt nicht nur von der Art der Sinnestäu-
schungen, von dem sinnlichen Tatbestand, sondern auch von der gesamten Psyche,
von der Persönlichkeit, von den andern Krankheitserscheinungen ab.
In akuten Psychosen besteht manchmal eine völlige Fesselung der Aufmerksamkeit
durch die Sinnestäuschungen, im späteren Verlaufe bildet sich eine Gewöhnung aus:
die Sinnestäuschungen werden als gleichgültige Phänomene kaum noch beachtet. Auf
 
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