Einleitung des Herausgebers
XIII
in der Folgezeit beträchtlich und mündete schließlich in politische Stellungnahmen,
die sich dem Zusammenhang von »Krieg und Weltanschauung« widmeten.35 Nur ge-
legentlich wurde der Begriff auch jenseits des nationalistischen Lagers für die Auswei-
sung politischer Gesinnungen und Ideologien in Anspruch genommen.36
Von der Niederlage des Ersten Weltkrieges und den von einer breiten Mehrheit als
demütigend empfundenen Auflagen des Versailler Friedensvertrags befördert, setzte
sich die nationalistische Zuspitzung des Weltanschauungsbegriffs auch nach Erschei-
nen der Psychologie der Weltanschauungen 1919 ungebremst fort. So erschien noch im
selben Jahr der Sammelband Rasse und Volkstum. Gesammelte Aufsätze zur nationalen
Weltanschauung des antisemitischen Schriftstellers Adolf Bartels, der nach Hitlers
Machtergreifung als »völkischer Vorkämpfer« gefeiert wurde.37 38 39
Vor allem ab Mitte der zwanziger Jahre wurde der Begriff als Insignie eines identi-
tätsstiftenden, Kulturen separierenden Denkens gebraucht, was sich in Titeln wie Ari-
sche Weltanschauung im Kampf mit dem Fremdtum^ widerspiegelte. Fast zwangsläufig er-
scheint vor diesem Hintergrund die nahtlose Transformation des Begriffs in ein Vehikel
der nationalsozialistischen Ideologie - vertreten etwa in Publikationen wie Der Natio-
nalsozialismus, die Weltanschauung des 20. Jahrhunderts^ oder dem nunmehr der Be-
hauptung der NS-Ideologie gewidmeten Kampf um Weltanschauung40 von Hitlers Chef-
ideologen Alfred Rosenberg.41 Auch die Philosophie wurde zu Gewehr zitiert in
Schriften wie Die philosophischen Grundlagen des Nationalsozialismus. Ein Ruf zu den Waf-
fen deutschen Geistes.42 Im Dienste der Verbreitung der NS-Ideologie entstand schließ-
35 K. Dunkmann, Dresden 1914. Auch wurde die Frage gestellt: Bedingt der Weltkrieg eine Umgestal-
tung unserer Weltanschauung? (K. Roretz, Graz 1916). Noch 1918 erschien zudem die Schrift Der Sieg
der deutschen Weltanschauung (B. Doehring, Berlin).
36 Vgl. F. Nonnemann: Die Sozialdemokratie als Weltanschauung. Ein Vortrag, Berlin 1909; G. v. Fran-
kenberg: Die Weltanschauung des Sozialismus, Braunschweig 1923; P. Jaeger: Liberale Weltanschau-
ung: Bekenntnisse und Fragezeichen, Heilbronn 1909.
37 Vgl. A. Bartels: Rasse und Volkstum. Gesammelte Aufsätze zur nationalen Weltanschauung, zweite,
vermehrte Auflage, Weimar 1920. Mit seinem Buch verband der Autor das Ziel, »das Rassegefühl
neu zu erwecken«, um »eine neue Weltanschauung [zu] erhalten und durch diese eines Tags alle
unsere Feinde, vor allem das Judentum« zu besiegen (7-8).
38 A. Wagemann, Köslin 1925; vgl. hierzu auch: H. Meyer: Der deutsche Mensch. Völkische Weltan-
schauung und deutsche Volksgemeinschaft, München 1925; M. Wundt: Deutsche Weltanschauung.
Grundzüge völkischen Denkens, München 1926; H. Freyer: Deutsche Weltanschauung, Kattowitz 1928.
39 G. Straßler, Berlin 1930; vgl. hierzu auch: F. Lenz: Rassenhygiene und Weltanschauung, München 1931.
40 A. Rosenberg, München 1934.
41 Rosenberg gilt als Hauptideologe des Nationalsozialismus. Von 1923 bis 1938 war er Chefredak-
teur des nationalsozialistischen Kampfblatts Völkischer Beobachter und nahm im NS-Regime zeit-
weise die Rolle des außenpolitischen Beraters Hitlers ein. Anfänglich sehr einflussreich, verlor Ro-
senberg aber mit wachsender Macht der NSDAP an Einfluss. Sein Versuch, das 1930 erschienene
Werk Mythos des 20. Jahrhunderts, von manchem als »Bibel des Nationalsozialismus« angesehen,
als verbindliches Dogma der NSDAP anerkennen zu lassen, scheiterte (vgl. M. Broszat: Der Natio-
nalsozialismus - Weltanschauung und Wirklichkeit, Hannover 1960,12).
42 O. Dietrich, A.-I. Berndt, Breslau 1935.
XIII
in der Folgezeit beträchtlich und mündete schließlich in politische Stellungnahmen,
die sich dem Zusammenhang von »Krieg und Weltanschauung« widmeten.35 Nur ge-
legentlich wurde der Begriff auch jenseits des nationalistischen Lagers für die Auswei-
sung politischer Gesinnungen und Ideologien in Anspruch genommen.36
Von der Niederlage des Ersten Weltkrieges und den von einer breiten Mehrheit als
demütigend empfundenen Auflagen des Versailler Friedensvertrags befördert, setzte
sich die nationalistische Zuspitzung des Weltanschauungsbegriffs auch nach Erschei-
nen der Psychologie der Weltanschauungen 1919 ungebremst fort. So erschien noch im
selben Jahr der Sammelband Rasse und Volkstum. Gesammelte Aufsätze zur nationalen
Weltanschauung des antisemitischen Schriftstellers Adolf Bartels, der nach Hitlers
Machtergreifung als »völkischer Vorkämpfer« gefeiert wurde.37 38 39
Vor allem ab Mitte der zwanziger Jahre wurde der Begriff als Insignie eines identi-
tätsstiftenden, Kulturen separierenden Denkens gebraucht, was sich in Titeln wie Ari-
sche Weltanschauung im Kampf mit dem Fremdtum^ widerspiegelte. Fast zwangsläufig er-
scheint vor diesem Hintergrund die nahtlose Transformation des Begriffs in ein Vehikel
der nationalsozialistischen Ideologie - vertreten etwa in Publikationen wie Der Natio-
nalsozialismus, die Weltanschauung des 20. Jahrhunderts^ oder dem nunmehr der Be-
hauptung der NS-Ideologie gewidmeten Kampf um Weltanschauung40 von Hitlers Chef-
ideologen Alfred Rosenberg.41 Auch die Philosophie wurde zu Gewehr zitiert in
Schriften wie Die philosophischen Grundlagen des Nationalsozialismus. Ein Ruf zu den Waf-
fen deutschen Geistes.42 Im Dienste der Verbreitung der NS-Ideologie entstand schließ-
35 K. Dunkmann, Dresden 1914. Auch wurde die Frage gestellt: Bedingt der Weltkrieg eine Umgestal-
tung unserer Weltanschauung? (K. Roretz, Graz 1916). Noch 1918 erschien zudem die Schrift Der Sieg
der deutschen Weltanschauung (B. Doehring, Berlin).
36 Vgl. F. Nonnemann: Die Sozialdemokratie als Weltanschauung. Ein Vortrag, Berlin 1909; G. v. Fran-
kenberg: Die Weltanschauung des Sozialismus, Braunschweig 1923; P. Jaeger: Liberale Weltanschau-
ung: Bekenntnisse und Fragezeichen, Heilbronn 1909.
37 Vgl. A. Bartels: Rasse und Volkstum. Gesammelte Aufsätze zur nationalen Weltanschauung, zweite,
vermehrte Auflage, Weimar 1920. Mit seinem Buch verband der Autor das Ziel, »das Rassegefühl
neu zu erwecken«, um »eine neue Weltanschauung [zu] erhalten und durch diese eines Tags alle
unsere Feinde, vor allem das Judentum« zu besiegen (7-8).
38 A. Wagemann, Köslin 1925; vgl. hierzu auch: H. Meyer: Der deutsche Mensch. Völkische Weltan-
schauung und deutsche Volksgemeinschaft, München 1925; M. Wundt: Deutsche Weltanschauung.
Grundzüge völkischen Denkens, München 1926; H. Freyer: Deutsche Weltanschauung, Kattowitz 1928.
39 G. Straßler, Berlin 1930; vgl. hierzu auch: F. Lenz: Rassenhygiene und Weltanschauung, München 1931.
40 A. Rosenberg, München 1934.
41 Rosenberg gilt als Hauptideologe des Nationalsozialismus. Von 1923 bis 1938 war er Chefredak-
teur des nationalsozialistischen Kampfblatts Völkischer Beobachter und nahm im NS-Regime zeit-
weise die Rolle des außenpolitischen Beraters Hitlers ein. Anfänglich sehr einflussreich, verlor Ro-
senberg aber mit wachsender Macht der NSDAP an Einfluss. Sein Versuch, das 1930 erschienene
Werk Mythos des 20. Jahrhunderts, von manchem als »Bibel des Nationalsozialismus« angesehen,
als verbindliches Dogma der NSDAP anerkennen zu lassen, scheiterte (vgl. M. Broszat: Der Natio-
nalsozialismus - Weltanschauung und Wirklichkeit, Hannover 1960,12).
42 O. Dietrich, A.-I. Berndt, Breslau 1935.