Metadaten

Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 6): Psychologie der Weltanschauungen — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69894#0030
License: Free access  - all rights reserved
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Einleitung des Herausgebers

XXIX

Es ist schwer, Ihnen von der Art des Buches eine Vorstellung zu geben. Etwas Ähnli-
ches gibt es bisher nicht. [... Es] wird hier versucht, vergleichend die Möglichkeiten der
Bewegungen, die Gegensätze, die Situationen und die Kräfte zu zeigen. [...] Es wird ver-
sucht, nirgends das wissenschaftlich Mögliche zu überschreiten, hier aber auch bis zu
den äussersten Grenzen zu gehen und überall praecis und klar zu fassen, was in den
Seelen meist unklar und halbbewusst vor sich geht. [...] Ich habe nach allen Fragen,
die [im Zusammenhang meiner Vorlesung] an mich kommen, das Gefühl, dass man
sich für keine meiner Arbeiten so sehr interessiert wie für diese.«130
Die kriegsbedingt eingebrochenen Kollegeinnahmen aus den Lehrveranstaltun-
gen wollte Jaspers mit Publikationen ausgleichen. Neben den beiden mit Springer ver-
einbarten Veröffentlichungen, der Psychologie der Weltanschauungen und der zweiten
Auflage der erfolgreichen Allgemeinen Psychopathologie, plante Jaspers 1918 noch eine
vergleichende Analyse von Kierkegaard und Nietzsche sowie ein Buch über »Allge-
meine Psychologie«.131 Vom Projekt einer »Verstehenden Psychologie« ist zu diesem
Zeitpunkt keine Rede mehr. Jaspers stellte das Manuskript der Psychologie der Weltan-
schauungen schließlich Mitte Januar 1919 fertig, im Oktober 1919 gelangte das Buch in
den Handel.132
7. Einflüsse
Jaspers’ Weltanschauungspsychologie beruht inhaltlich über weite Strecken auf der
Auseinandersetzung mit Kierkegaard, Nietzsche, Kant, Hegel und Goethe. Während
die Werke der zwei letztgenannten Autoren Jaspers vor allem als »Steinbruch« dien-
ten, »wertvolles Material« für die Konturierung weltanschaulicher Idealtypen zu sam-
meln, bildete Kants Ideenbegriff den zentralen epistemologischen Bezugspunkt. Kant
sei durch seine Ideenlehre, wie Jaspers schreibt, der »Schöpfer des Gedankens, der die-
ser Weltanschauungspsychologie überall zugrunde liegt« - eine Stellungnahme, die
dadurch unterstrichen wird, dass Jaspers dem Buch eine Auseinandersetzung mit
»Kants Ideenlehre« als Anhang beigegeben hat.133 In Kierkegaard und Nietzsche sieht
Jaspers hingegen »die größten Psychologen der Weltanschauungen«. Sie hätten den
Fokus auf das »Leben der gegenwärtigen Individualität, auf die >Existenz<« gerichtet
und sind damit für Jaspers gewissermaßen die Vorbilder, möglicherweise neben der
bereits angesprochenen Weltanschauungsliteratur und den zeitgenössischen Diskur-
sen sogar die entscheidenden Impulsgeber für eine auf die Sinnfrage der individuellen

130 K. Jaspers an F. Springer, 30. April 1918, KJG III/8.1,285.
131 K. Jaspers an die Eltern, 22. Mai 1918.
132 Vgl. K. Jaspers an C. Jaspers sen., 15. Januar 1919; K. Jaspers an die Eltern, 13. Oktober 1919.
133 Jaspers erwog zwischenzeitlich, den Anhang in der zweiten Auflage zu streichen, beließ ihn aber
schließlich auch in allen weiteren Auflagen (vgl. Jaspers’ Korrektur-Exemplar in der KJB Olden-
burg [KJ 7782]).
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften