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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 6): Psychologie der Weltanschauungen — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69894#0058
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Einleitung des Herausgebers

LVII

theoretischen Satzes oder sein »Sinn« keine empirisch erschließbare Realität, sondern
ein »Wertgebilde« ist. Nur ein »guter Subjektivismus«, der transzendentalphilosophisch
objektive, d.h. von der Anerkennung realer Subjekte unabhängige Werte anerkennt,
könne daher Objektivität begründen, »und der einzelne Mensch erreicht dann Objek-
tivität so weit, als er sich mit seinem Denken nach diesem »transzendentalem Subjekt
und seinen überindividuellen »Regelm richtet.292 Daraus ergibt sich für Rickert die For-
derung, die Philosophie müsse danach streben, »die Werte, welche den verschiedenen
Lebensgebieten Sinn verleihen, vollständig und geordnet zum ausdrücklichen Be-
wußtsein zu bringen«.293 In der modernen Entwicklung des Subjektivismus habe sich
dieser aber nicht nur transzendental und wertphilosophisch, sondern auch metaphy-
sisch und psychologisch gestaltet. Letztere Entwicklung kritisiert Rickert, weil sie eine
Verengung des philosophischen Horizonts im Sinne einer Engführung auf die Reali-
tät bedeute. Man beschränke sich auf faktisch ablaufende Vorgänge,294 woraus ein Sub-
jektivismus der Wertungen entstehe. Dieser psychologische Subjektivismus stelle sich
neben dem historisch gestalteten Subjektivismus, wie Dilthey ihn ausgebildet habe,
in einer zweiten Ausprägung die Aufgabe, die immer wiederkehrenden Faktoren und
Kräfte darzustellen, »welche die Weltanschauungen als menschliche Überzeugungen«
hervortreiben, »um konsequenterweise die Philosophie durch eine im engeren Sinne
so zu bezeichnende »Psychologie der Weltanschauungem zu ersetzen«.295
Vor dem Hintergrund dieses Substitutionsverdachts analysiert nun Rickert Jaspers’
Programm. Ein erster Kritikpunkt betrifft Jaspers’ Anlehnung an Kant, dessen Ideen-
lehre er »ins >Psychologische< umzubiegen« versuche.296 Indem Jaspers Ideen als psy-
chische Realitäten auffasse, zerstöre er den Sinn des Kant’schen »Subjektivismus«.297
Doch nicht nur das. Rickert beklagt, dass Jaspers gerade nicht, wie explizit angekün-
digt, reine Betrachtung und Psychologie betreibe, sondern »ein Gemisch von Psycho-
logie der Weltanschauungen und Philosophie der Werte« vorgelegt habe, das sich sei-
ner eigenen theoretischen Voraussetzungen nicht hinreichend bewusst sei.
Den Grund für diese Vermischung meint Rickert in der Gegenüberstellung von uni-
versaler Betrachtung und prophetischer Philosophie festmachen zu können. Aus Jas-
pers’ Feststellung, es gebe keine prophetische, d.h. echte Philosophie mehr, schließt
Rickert auf einen psychologistischen Substitutionsanspruch der Psychologie, die als
universale Betrachtung an die Stelle der Philosophie treten wolle.298 Eine psychologi-

292 H. Rickert: »Psychologie der Weltanschauungen und Philosophie der Werte«, 4.
293 Ebd., 5.
294 Ebd., 6.
295 Ebd., 8.
296 Ebd., 9.
297 Ebd., 16.
298 Ebd., 11. Jaspers verneint diesen Anspruch in seinem Handexemplar ausdrücklich: »habe ich nicht
gesagt« (KJB Oldenburg: KJ 4152,11). In einem zweiten Sonderdruck kommentiert er: »steht nir-
 
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