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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 6): Psychologie der Weltanschauungen — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69894#0071
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Einleitung des Herausgebers

eines Teilnehmenlassens des Lesers an den Grunderfahrungen durch den stilistischen
Einsatz der Ich-Form an. Jaspers präsentiert sich an dieser Stelle nicht als phänomeno-
logischer Fundamentalontologe, sondern als Philosoph der »indirekten Mitteilung«355
- ein Motiv, das er von Kierkegaard übernimmt.
Zweitens manifestiert sich in der erst viele Jahre später von Jaspers als »methodo-
logische Bemerkung« gekennzeichneten, aber bereits in der Philosophie wirksamen Un-
terscheidung zwischen »Phänomenen der Realität«, »Signa der Existenz« und »Chif-
fern der Transzendenz«356 eine Abwendung von der rein »ästhetischen« Beschreibung
menschlichen Seins. Während die Phänomene der Realität als Gegenstände der Er-
kenntnis zugänglich sind, verwandeln sich Symbole durch existentielle Aneignung in
Chiffern der Transzendenz, die als »Handschrift eines Anderen«357 erlebt werden. An
den »Signa der Existenz« (Grenzsituationen, Kommunikation, Freiheit), die den Kern
seines existenzphilosophischen Konzepts bilden, wird Jaspers’ Verlängerung der Ver-
stehenden Psychologie in die Existenzerhellung besonders deutlich. Sofern es sich da-
bei um ein »erlebendes Denken« handelt, in dem das Vor- und Durchspielen existen-
tieller Möglichkeiten ein reflexives Sich-zu-sich-selbst-Verhalten fordert, wird dabei
zugleich dem an die Existenz des Lesers adressierten Appell zum Selbstsein Ausdruck
verliehen. Nicht umsonst versteht Jaspers die »Signa der Existenz« als »Zeichen für den
an existentielle Möglichkeiten appellierenden Gedanken«.358 Die Signa haben dem-
nach weder eine primär deskriptive noch eine epistemologische Funktion, sondern
sind gleichsam hermeneutische Medien der Thematisierung des Selbst und des Ingang-
setzens existentieller Selbstreflexion. Diese Signa versucht Jaspers so in Szene zu set-
zen, dass ein die Introspektion des Lesers einforderndes Spiel mit Deutungs- und Ver-
haltensmöglichkeiten im Umgang mit Situationen, mit dem Durchdeklinieren von
Möglichkeiten des Gelingen- und Scheiternkönnens der Existenz ausgelöst wird, das
den Raum existentieller Verwirklichung bewusst werden lässt. Sofern die Existenzer-
hellung ein appellatives Unterfangen darstellt, kann die Wahl der Ich-Form und die
Definition der Signa der Existenz auch als Reaktion auf Heideggers Bemerkung verstan-
355 Jaspers spricht auf den Seiten 345-346 der Psychologie der Weltanschauungen von »Propheten in-
direkter Mitteilung« und meint damit »solche Lehrer, die es ablehnen, Propheten zu sein, die nur
reizen, aufmerksam machen, in Unruhe versetzen, die nur die Sachen problematisch machen,
aber keine Vorschriften geben, nicht lehren, wie zu leben ist. [...] Die Philosophen indirekter Mit-
teilung drängen sich innerlich als Einzelne zum einzelnen Menschen, appellieren an das Leben,
das im Anderen ist, dem sie durch Reize und durch Entwicklung des Mediums unendlicher Refle-
xion zum Wachstum helfen, das sie aber nicht als imperative Lehre selbst geben wollen. [...]
Sokrates, Kant, Kierkegaard sind für diesen Typus repräsentativ«. Vgl. zum Stellenwert der
»indirekten Mitteilung« für Jaspers’ Existenzphilosophie: A. Hügli: »Jaspers’ Darstellung von Phi-
losophie - eine Form der indirekten Mitteilung?«, in: Jahrbuch der Österreichischen Karl Jaspers-
Gesellschaft 28 (2015) 9-36.
356 K. Jaspers: Die Chiffern der Transzendenz, 29.
357 Ders.: PhilosophieIII, 33.
358 Ders.: PhilosophieII, 15.
 
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