Metadaten

Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 6): Psychologie der Weltanschauungen — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69894#0073
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
LXXII

Einleitung des Herausgebers

ation ihrer selbst bewusst wird,363 vor allem mit Blick auf den »Halt im Unendlichen«
und die Freiheit364 zu einem wichtigen Bezugspunkt. Trotz seines auffälligen Kolorits
und der häufigen Verwendung nimmt der Existenzbegriff in Jaspers’ Frühwerk wegen
der darin verfolgten psychologisch-deskriptiven Programmatik nicht die zentrale Po-
sition ein, die er in der Philosophie erhalten sollte. Zudem bleibt die Verwendung des
Begriffs im Ganzen unbeständig, was sich u.a. darin zeigt, dass Jaspers ihn auch zur
Bezeichnung des vitalen Daseins verwendet. Eine systematische Einhegung bleibt aus,
ebenso eine Reflexion über die Selbstbezüglichkeit der Existenz. Erst in der Philosophie
findet eine breite Auseinandersetzung und klare Konturierung des Existenzbegriffs
statt, die u.a. zu einer terminologischen Trennung von Dasein und Existenz führt.365
Die Existenz wird dort zu einem Sein, das sich zu seiner Möglichkeit verhält, zu einer
ungegenständlichen persönlichen Substantialität in actu, die nicht ist, sondern sich
in Freiheit wählt.366 Das Handeln »mit dem Einsatz der Existenz« und die »Unbedingt-
heit des Wollens in der absoluten Wahl« lassen für Jaspers den unerklärlichen persön-
lichen Ursprung der Existenz spürbar werden.367
Durch ihre Ungegenständlichkeit entzieht sich Existenz einem erkennenden Zu-
griff, ist sie nicht als wissbares Objektives, sondern als Ergreifen der Freiheit gegenwär-
tig. Existenz verschwindet geradezu im Versuch, sie zu vergegenständlichen.368 Die In-
nerlichkeit der Verbundenheit mit einem unaussagbaren Ich kann nur selbstbezüglich
erlebt, im Denken und Handeln ergriffen werden. Ihr Ursprung liegt - und hier offen-
bart sich eine weitere wesentliche Erweiterung gegenüber der Psychologie der Weltan-
schauungen - in der Transzendenz. Diese erscheint in der Philosophie als Freiheit im
Sinne einer »Losgelöstheit vom Bedingten der Welt«369 und als »unerbittliche Konse-
quenz der Wahrhaftigkeit« im Sollen.370 In der Unbedingtheit des Sollens, die Freiheit
ist, wird die Verbindlichkeit der Transzendenz gespürt.371 Indem etwas als unbedingt
getan wird, offenbart sich dem Menschen, wie Jaspers meint, seine Transzendenz.372
Ihr Sein wird nur darin erfasst, wie der Mensch innerlich handelnd er selbst wird373 und
sich dabei als Erscheinung seiner Transzendenz begreift.374 Die dritte wesentliche Ab-
weichung vom Existenzbegriff der Psychologie der Weltanschauungen besteht darin, dass

363 Ebd., 233-234.
364 Vgl. bes. ebd., 305-311.
365 Vgl. K. Jaspers: Philosophie I, XX.
366 Vgl. ders.: Philosophie II, 18.
367 Vgl. ebd., 160.
368 Vgl. ebd., 1.
369 Ders.: PhilosophieII, 123.
370 Ders.: PhilosophieIII, 74.
371 Ders.: PhilosophieII, 361.
372 Ebd., 123.
373 Ders.: PhilosophieIII, 68.
374 Ders.: PhilosophieII, 199.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften