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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 6): Psychologie der Weltanschauungen — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69894#0273
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i8o

Psychologie der Weltanschauungen

Was das Absolute sei, haben wir hier nicht zu fragen und nicht zu entscheiden. Wir
wollen nur geordnet wissen, was für Menschen das Absolute sein konnte. Fragen wir
nach dem Absoluten für den Menschen, so fragen wir nach seinen Kräften. In der Cha-
rakterisierung der Geistestypen kann auf die Frage erst eine anschauliche Antwort ge-
geben werden. Hier wollen wir zunächst aber nur Weltbilder typisieren. Weltbilder
nannten wir das, was gegenständlich vor dem Menschen ist, was dem Geiste gegen-
übersteht, nicht selbst die Kraft des Geistes ist. Weltbilder lassen sich als etwas Objek-
tives, gleichsam als besondere Räume oder Gehäuse schildern; Geistestypen haben sol-
che Weltbilder als ihren wesentlichen Ausdruck und ihre Bedingung, aber die
weltanschaulichen Kräfte brauchen nicht immer ihrem Wesen nach gegenständliche
Weltbilder vor sich hinzustellen, sie gewinnen ihren Ausdruck auch in Handlungen
und Werthierarchien.
Wir versuchen also eine bloße objektive Typologie der metaphysischen Weltbilder.
Dabei halten wir fest, was für alle mehr oder weniger gilt:
1. Überall werden wir von einzelnen Anschauungen aus der sinnlich-räumlichen oder
seelisch-kulturellen Welt hören. Diese sind aber nicht als solche gemeint, sondern als
Zeiger auf das Ganze und Absolute. Das Zusammentreten von Begriffen, die ihren Stoff
in jenen anschaulichen Welten haben, mit Begriffen aus nur formalen und rationalen
Sphären ist darum vom Standpunkt jener Weltbilder aus ebenso verworren, wie vom
Standpunkt des metaphysischen Weltbildes aus sinnvoll.
2. Eine einfache logische Erwägung zeigt uns, daß das Ganze und das Absolute uns
doch nicht Gegenstand sein kann, da wir als Subjekt dann diesem als einem Objekt gegen-
überstehen, wir als Subjekte also nicht im ganzen mit darin sind, also das Ganze nicht
das Ganze ist. Daraus entspringt aus sachlicher Notwendigkeit auch psychologisch im-
mer wieder die Bewegung, wenn irgendein metaphysisches Weltbild sich gegenständ-
lich kristallisiert hat. Daher kommt es auch, daß die faktischen metaphysischen Welt-
bilder eigentlich nie das »Ganze« sind, sondern »Ganzheiten« neben, über anderen.
3. Der Gegenstand im metaphysischen Weltbild ist für den, der in diesem Weltbild lebt,
186 der eigentlich wirkliche, schlechthin | das Wirkliche. Wenn wir bei einem Menschen nach
seinem metaphysischen Weltbild fragen, können wir direkter fragen: was ist ihm das letzt-
hin Wirkliche? Das metaphysische Weltbild ist keineswegs immer der Gipfel in der pyra-
midenförmigen Struktur der Weltanschauung. In einem Geistestypus z.B., dem die Werte,
damit die Gegensätzlichkeit und das Sollen, oder dem der Sinn, den er erst zu verwirkli-
chen hat, das Letzte bedeutet, oder dem die Welt das ist, was er schaffend aus ihr macht,
in einem solchen Geistestypus ist das metaphysische Weltbild entweder in eine zweite Li-
nie gerückt, oder ganz nichtig geworden, oder geradezu ein Feind und Verführer.
Die Frage nach dem eigentlich Wirklichen, »das die Welt im Innersten zusammen-
hält«,1" steht im Zentrum der Formulierungen metaphysischer Weltbilder; die Frage
nach der äpgr], dem Prinzip, dem Urhaften, sei es Stoff, Kraft, Tat, Wort, Sinn usw. Die
Beantwortung dieser Frage ist das metaphysische Weltbild. Unseren geläufigen Vorstei-
 
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