Metadaten

Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 6): Psychologie der Weltanschauungen — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69894#0497
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
404

Psychologie der Weltanschauungen

Solche Prozesse schaffender Vergegenständlichung sind das Ungewöhnliche, die
bewegenden Erlebnisse ohne erreichte Subjekt-Objekt-Spaltung sind häufig. Aber wir
können hier begreifen, wie in dem Medium der Subjekt-Objekt-Spaltung im Sinnli-
chen eine mystische Sphäre sich auswirkt, die in einer weiteren Ebene sich auch in
Subjekt und Objekt, Gegenstände gestaltend, spalten kann. Und nur weil viele Men-
schen dieser mystischen Bewegungen fähig sind, können sie, wenn ein Schaffender
eine Gestalt findet, diese unmittelbar als die ihre begreifen: es wird ihnen gesagt, was
sie wußten, was sie aber, da bei ihnen in dieser Sphäre die Subjekt-Objekt-Spaltung
mangelte, selbst nie hätten sagen können.
Was wir der Landschaft gegenüber in diesem Falle »Stimmung« nennen, ist also ein
Sammelbegriff für recht Verschiedenartiges: i. Einfache Gefühle ohne Inhalt, ruhig
zerrinnend, sich im Bereiche der Lust-Unlust bewegend. 2. Seelenbewegungen man-
gelnder Subjekt-Objekt-Spaltung, Keime, die Gestalt gewinnen können. 3. Reprodu-
zierte Stimmungen und Seelenbewegungen rückwärts von den geschaffenen und von
anderer Seite dargebotenen Gestalten her. - Oder wir können den einen großen Ge-
gensatz aufstellen: sie sind entweder bloße Erlebnisse, die genossen werden oder Sym-
ptome von Kräften, die zu Gestalten, zu Vergegenständlichungen drängen; die ersteren
in sich beschlossen, ohne Drang und Qual, in ruhigem Genüsse hingenommen, die
letzteren von Bewegungskraft, Spannung, Drang, von Jauchzen und Beklemmungen
begleitet; die ersteren ohne erhebliche Folgewirkung, ohne Ernst, ohne eigentliche
Realität; die letzteren von erheblicher Folge für die Seele, ernst, real; die ersteren sen-
timental, die letzteren kraftvoll, ursprünglich.
Definieren wir zusammenfassend die weiteste Sphäre der bisher gemeinten Erleb-
nisse: während die meisten seelischen Phänomene, die wir beschreiben können, in ei-
ner Subjekt-Objekt-Spaltung als Eigenschaften der Subjektseite oder der Gegenstands-
seite beschrieben werden, gibt es außer diesen solche seelischen Erlebnisse, in denen
die Subjekt-Objekt-Spaltung noch nicht da oder aufgehoben ist.
Diese so allgemein definierte Sphäre psychischer Phänomene umfaßt nun das He-
445 terogenste: 1. Bewußtseinstrübungen, seelische | Gesamtzustände einerseits und and-
rerseits seelische Teilbewegungen auf dem Grunde oder in dem Medium der Subjekt-
Objekt-Spaltung bei Bewußtseinsklarheit; 2. was die Bedeutung (Abhängigkeit und
Wirkung) im seelischen Gesamtleben angeht, einerseits die gleichgültigsten bloßen
Phänomene zufälliger Art ohne jede Nachwirkung, andrerseits Phänomene als Sym-
ptome von Kräften, die das ganze Leben beherrschen, Erlebnisse, die der Ausgangs-
punkt Persönlichkeit- oder weltumgestaltender Bewegungen werden; 3. was die Ten-
denz zum Objektivieren in Gegenständlichkeiten angeht, sowohl solche Erlebnisse,
die in sich abgeschlossen und befriedigt jeder gegenständlichen Auswirkung entbeh-
ren, als auch solche, deren Qual und Drang zum Gegenstände geht in der Schöpfung
von Gedanken, Kunstwerken, Taten; 4. Seelenzustände, die jeder Gegenständlichkeit
als Basis entbehren und solche, die auf der Basis von gegenständlichen Inhalten erst
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften