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Jaspers, Karl; Kaegi, Dominik [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 8): Schriften zur Existenzphilosophie — Basel: Schwabe Verlag, 2018

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https://doi.org/10.11588/diglit.69895#0047
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XLVI

Einleitung des Herausgebers

Existenz.« In Wahrheit sei »alles anders«, verunklart jedoch werde die Differenz zwi-
schen dem »existenziellen« Existenzbegriff Kierkegaards und Jaspers' einerseits, dem
»existenzialen« Existenzbegriff Heideggers andererseits, indem »Jaspers seinen Sprach-
gebrauch an den von »Sein und Zeit< angeglichen, d.h. dieses in seinem Sinne verstan-
den und auch mißdeutet hat.«171 Heidegger antizipiert hier den Plagiatsvorwurf, den er
später, ohne Jaspers zu nennen, öffentlich wiederholt hat: Ein trübes Kapitel, das durch
die inzwischen dokumentierten Ausfälle in den Schwarzen Heften nur erweitert wird.
So fügt sich wenigstens als Prophylaxe, dass Jaspers den Dank an Heidegger rechtzeitig
aus dem Vorwort zur Philosophie gestrichen hatte.172
Wie auch immer: Für Prioritätsfragen war nach 1945, als der Existentialismus Sar-
tres die Szene beherrschte,173 kein Platz mehr. Hinsichtlich der Frankfurter Vorlesun-
gen hatte sich der Blickwinkel ohnehin verschoben: Ab der zweiten Auflage (1956) le-
sen fast alle Rezensionen den Text vom Nachwort her, der Schlüsselbegriff lautet jetzt:
»Innere Emigration«174 - was ja nicht falsch ist.
Geschichte gemacht, wie es Niebuhr von Vernunft und Existenz erwartete,175 hat kei-
ner der beiden Texte. Das heißt, so genau wissen wir es nicht: Selbst offensichtliche Neu-
erungen Jaspers' wie die Einführung des Kommunikationsbegriffs in den philosophi-
schen Diskurs der Moderne sind heute mit anderen Namen besetzt. Vielleicht schleifen
sich solche Prärogative im Lauf der Zeit ab. Und da wirkungsgeschichtliches Bewusst-
sein mehr Sein als Bewusstsein ist/76 sich zumindest nicht darin erschöpft, wer wen
wann zitiert, könnte die Wirkungsgeschichte Jaspers' gerade in den Dejä-vus liegen, die
sich einstellen, wo es »primär« gar nicht um Jaspers geht. Allerdings war sein Anspruch,
dass solche Effekte nachhaltig nur bleiben, wenn sie rückwärts wirken, wenn wir in der
Existenzphilosophie die Metaphysik der großen Philosophen wiedererkennen.
Aber Rezeptionsinteressen zu deklarieren, ist nicht Sache einer Edition. Es gibt ohne-
hin leichtere Aufgaben als die, Jaspers zu kommentieren. Von der Philosophie Nietzsches
hat er das markante Bild eines Trümmerhaufens gezeichnet, »als ob eine Bergwand ge-

171 GA 49, 38; das Zitat aus der Existenzphilosophie unten S. 103. - Zum weiteren Kontext der Kritik
Heideggers am existenzphilosophischen Existenzbegriff vgl. St. Hübsch: »»Außerhalb aller Meta-
physik und Existenzphilosophie«. Heidegger über den Leitbegriff der Existenz«, in: A. Hügli et al.
(Hg.): Existenz und Sinn. Karl Jaspers im Kontext, Heidelberg 2009, 211-228.

172 Der Text lautete in einer Version: »Martin Heidegger verdanke ich eine Kritik meiner »Psychologie
der Weltanschauungen«. Er legte den Accent in einer Weise, dass ich den Weg des Weitergehens
entschiedener einhielt. Sein eigenes Denken ermunterte mich durch das Faktum, dass der Fach-
genosse in Befragung der Existenz philosophiert« (DLA Marbach, A: Jaspers).

T73 Vgl. P. Baert: The Existentialist Moment. The Rise of Sartre as Public Intellectual, Cambridge 2015.

174 So noch der Rezensionstitel bei H. Sch. (Hans Schaarwächter) in Der Mittag, 25. Januar 1964.

175 The New Republic, 12. September 1955: »This book will make history.«

176 H.-G. Gadamer: Hermeneutik II. Wahrheit und Methode. Ergänzungen, Register. Gesammelte
Werke Bd. 2, Tübingen 1986,247.
 
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