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Jaspers, Karl; Kaegi, Dominik [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 8): Schriften zur Existenzphilosophie — Basel: Schwabe Verlag, 2018

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https://doi.org/10.11588/diglit.69895#0046
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Einleitung des Herausgebers

XLV

Vorträge an Zeitkritik enthielten: »Überall« werde in ihnen deutlich, »wie die Ganzheit
eines geschlossenen Weltbilds sich als bloße Illusion erweist«.166 Das ist, 1938, eindeu-
tig, zumal der Ausdruck »Weltbild« in der Existenzphilosophie gar nicht vorkommt.
Nur Verachtung dagegen hat Gerhard Lehmann für das Jaspers'sche Projekt übrig:
»Wir müssen >scheitern<. Und können noch froh sein, dass uns das als Verdienst ange-
rechnet wird.« Immerhin sei es eine »Leistung«, Sein, Wahrheit und Wirklichkeit »in
diesem Problemgefüge so zu stellen, dass sie als Ausstrahlungen einer übergreifenden
Frage erscheinen. Darum bemüht sich Jaspers in seinem Buche. Und >Existenz< soll der
Sinn sein, den er herausliest. Hätte Jaspers in seiner »Einführung« einen Überblick über
die Existenzphilosophie der Gegenwart gegeben - was man wirklich einmal tun sollte
-, so hätte er mehrere Denker nennen können, die sich in ähnlicher Weise um den Sinn
von »Existenz« bemühen. Er hätte freilich auch feststellen müssen, dass dieser Existenz-
philosophie schon eine andere entwachsen ist, für die es nicht mehr so wichtig ist, dass
die Philosophie mich wachmacht, mich zu mir selbst bringt, mich verwandelt, weil
ihr nämlich diese Ichbeschauung und Ichmetamorphose, diese ganze Selbstbespiege-
lung gleichgültig geworden ist.«167 Die »andere« Existenzphilosophie ruft Lehmann in
seiner Deutschen Philosophie der Gegenwart (1943) dann auch explizit auf: die »realisti-
sche Existenzphilosophie« der »völkisch-politischen Philosophie der Gegenwart«.168
In eigener Sache hat schließlich Heidegger Passagen aus der Existenzphilosophie be-
nutzt (»analysiert« wäre hier nicht das richtige Wort), um Sein und Zeit der Existenzphi-
losophie zu entwinden, die »einschließlich des Namens, allein das Werk von K. Jaspers«
sei.169 Heidegger geht von dem Heidegger-Zitat aus, auf das sich später auch Sartre beru-
fen sollte - »Das »Wesen« des Daseins liegt in seiner Existenz.«170 Den Titel »Dasein« ge-
brauche Jaspers im Sinne von »Leben = animalitas und rationalitas. Der Mensch [...] ist
vernünftiges Lebewesen und zur Vernunft gehört das verantwortliche sich-wollende Bei-
sich- und Selbst-sein, gehört personalitas - »Subjektivität«, »Existenz«, in Kierkegaards
Sinn.« Vergleiche man damit nun den Satz in Sein und Zeit, so zeige sich prima vista »die
Deckung mit dem, was Jaspers sagt: »Wir sind nicht bloß da, sondern unser Dasein ist
uns anvertraut als Stätte und als Leib der Verwirklichung unseres Ursprungs[<], d.h. der

166 Ebd. (oben Anm. 164).

167 G. Lehmann: »Jaspers und die Existenz«, Berliner Tageblatt, 6. März 1938.

168 Zit. nach Schneiders: Karl Jaspers in der Kritik, 35.

169 M. Heidegger: Die Metaphysik des deutschen Idealismus. Zur erneuten Auslegung von Schelling: Philoso-
phische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit und die damit zusammenhängenden
Gegenstände (1809). Freiburger Vorlesung I. Trimester 1941. Freiburger Seminar Sommersemester
1941, hg. von G. Seubold, Frankfurt a.M. 1991 (GA 49),18. Mit Bezug auf den Abschnitt »Existenz-
philosophie« in der Geistigen Situation der Zeit heißt es ebd., 54: »seit dem öffentlichen Bekannt-
werden der »Existenzphilosophie« habe ich das Wort »Existenz« aus dem Wörterbuch des Denkens
im Umkreis der Frage nach »Sein und Zeit« gestrichen.«

170 M. Heidegger: Sein und Zeit, GA 2,56.
 
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