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Jaspers, Karl; Kaegi, Dominik [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 8): Schriften zur Existenzphilosophie — Basel: Schwabe Verlag, 2018

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https://doi.org/10.11588/diglit.69895#0129
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104

IVierte Vorlesung

Vorrang und Grenzen vernünftigen Denkens
Die Frage nach dem Vorrang des Denkens.104
I. Vernünftige Alogik
Der Zirkel als notwendige Form echten Philosophierens.110
Beispiele des Alogischen aus der Existenzerhellung.115
2. Fälschliche Logisierung
Die Verkehrung existenzerhellender Aussagen (aufgezeigt an den gebrachten Beispielen) ... 117
Allgemeine Formulierung.120
Blick auf die fälschliche Rationalisierung des Irrationalen.121
Zusammenfassung: Bestätigung des Vorrangs des Denkens
Zwei Mißverständnisse im Ausdruck dieses Vorrangs: leere Logik und absolutes Wissen .122

Die Weisen des Umgreifenden waren als das, das wir sind: Dasein, Bewußtsein über-
haupt, Geist; und waren als das Sein selbst: Welt, Transzendenz; sie hatten ihren Bo-
den in der Existenz, ihr Band in der Vernunft. Als Dasein sind wir, sofern wir uns er-
forschbar werden als empirischer Gegenstand, selbst Welt: hier schneidet sich das
Umgreifende, das wir sind, und das Umgreifende, das das Sein selbst ist, soweit es als
Weltsein erscheint.
Fragen wir nach dem Vorrang einer Weise des Umgreifenden, so zeigt sich, daß das
Umgreifende von uns in Stufen gedacht wird, und zwar derart, daß die früheren ohne
die späteren Stufen substanzlos, die späteren ohne die früheren wirklichkeitslos wer-
♦ den. Wohl hat den Seinsvorrang die Transzendenz, jedoch sie ist verborgen. Keine der
105 anderen Weisen des Umgreifenden kann einen absoluten | Seinsvorrang behaupten,
jede Weise ist unentbehrlich im Ganzen - das nicht eine Summe von Stufen, sondern
in sich bezogener Gliederbau der Seinsweisen ist - und ist zugehörig zur Chiffreschrift
der Transzendenz.
Eine Rangordnung aber besteht, und zwar etwa die der Existenz vor dem bloßen Da-
sein und die der Existenz vor dem Geist, die des Geistes vor dem Bewußtsein überhaupt.
Würden wir die Bedeutung dieser Rangordnungen dadurch aussprechen, daß im Kon-
fliktsfall der höhere Rang sich durchzusetzen habe, so wäre dieser Ausdruck unzutref-
fend. Denn Konflikte gibt es nur auf der gleichen Ebene. Um in Konflikt geraten zu
können, muß der Sinn der höheren Ebene erscheinend in eine Gestalt der tieferen ein-
gegangen sein, auf der er eine andere Gestalt treffen kann, die ohne Beseelung von
oben nichts als sie selbst wäre. Im Daseinskampf geschieht mehr als nur Daseinskampf,
 
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