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Jaspers, Karl; Kaegi, Dominik [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 8): Schriften zur Existenzphilosophie — Basel: Schwabe Verlag, 2018

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https://doi.org/10.11588/diglit.69895#0095
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Vernunft und Existenz

Als Dasein wie als Geist sind wir umgreifende Wirklichkeit. Aber als Dasein sind wir
ungewußt gebunden bis in die letzten Gründe der Materie, der Lebendigkeit und der
Seele: uns in diesem Umgreifenden zum Gegenstand machend, erkennen wir uns ins
Endlose nur von außen, und zugleich uns zerspaltend in sprunghaft von einander ge-
trennte, nur in solcher Trennung erforschbare Wirklichkeiten (Materie, Leben, Seele).
Als Geist sind wir in Bewußtheit bezogen auf alles, was uns verstehbar ist; wir verwan-
deln die Welt und uns selbst in Verstehbarkeit, die sich in Ganzheiten schließt; uns in
diesem Umgreifenden zum Gegenstand machend, erkennen wir uns von innen als die
eine, einzige allumgreifende Wirklichkeit, der alles Geist und die nur Geist ist. -
Die Unterscheidung von Dasein, Bewußtsein überhaupt, Geist bedeutet nicht die
Feststellung trennbarer Tatbestände, sondern die Vergegenwärtigung von drei Ansät-
zen, aus denen das Umgreifende des Seins, das wir sind, worin erst uns alles Sein und
alle Erforschbarkeit entgegenkommt, fühlbar werden soll.
Die drei Weisen sind nicht ohne einander noch das Umgreifende, als das wir sie
vergegenwärtigten. Das Bewußtsein überhaupt als Stätte der einen allgemeingültigen
Wahrheit ist in sich nicht schließbar. Es weist einerseits auf seinen Grund im Dasein,
andererseits auf die Macht, von der es sich beherrschen lassen muß, wenn es Sinn und
Ganzheit haben soll, den Geist. Es selbst ist die unwirkliche Artikulation des Umgrei-
51 fenden, durch die dieses geschieden wird in die Weise, aus der heraus es als erforsch|bares
Naturgeschehen vereinzelt und erkennbar werden kann, und die Weise, wie es versteh-
bare, in Ganzheiten sich schließende, sich selbst durchsichtige Wirklichkeit oder Frei-
heit ist. Dasein und Geistbringen die Gestalten der Wirklichkeit hervor, als die sich un-
ser Wesen im Umgreifenden zum Gegenstand macht; das Bewußtsein überhaupt ist die
Gestalt, in der wir das Umgreifende als Bedingung des Allgemeingültig- und Mitteil-
barseins sehen.
Das Umgreifende, das wir sind (als Dasein, als Bewußtsein überhaupt, als Geist) über-
schreiten wir mit der Frage: ob dieses Ganze das Sein selbst sei.
Wenn es das Sein ist, in dem uns, was überhaupt Sein ist, gegenwärtig werden muß,
so ließe sich denken, daß dieses Erscheinen für uns in der Tat alles Sein wäre. Nietz-
sche, der das Sein als Ausgelegtsein begriff und unser Sein als Auslegen, will alles wei-
tere Sein als illusionäre Hinterwelt ablehnen.135 Aber die Frage hört nicht auf an den
Grenzen unseres Wissens von Dingen und nicht im Innesein des Grenzbewußtseins
des Umgreifenden, als das wir sind. Dieses Umgreifende, das ich bin und weiß, als Da-
sein, Bewußtsein überhaupt, Geist, ist vielmehr aus sich selbst nicht begreifbar, son-
dern weist auf ein Anderes. Das Umgreifende, das wir sind, ist nicht das Sein selbst,
sondern Erscheinung (nicht Schein) in dem Umgreifenden des Seins selbst.
Dieses Sein selbst aber, für uns durch den Zeiger an der Grenze fühlbar und daher
erst das Letzte unseres Fragens, sofern dieses Fragen von unserer Situation ausgeht, ist
 
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