Das Umgreifende
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sein überhaupt nehmen wir teil an einem Unwirklichen, der allgemeingültigen Wahr-
heit,132 und sind als solches Bewußtsein ein grenzenlos Umgreifendes. Als lebendiges
bewußtes Dasein jeweils nur eine Art, ja ein einmaliges in seine Subjektivität einge-
schlossenes Individuum, sind wir ein Umgreifendes als Möglichkeit des Wissens und
als Möglichkeit gemeinsamen Wissens vom Sein in jeder der Weisen, durch die es für
Bewußtsein zur Erscheinung kommt. Und zwar nehmen wir teil nicht nur an der Rich-
tigkeit des Erkennbaren, sondern auch an einer als allgemeingültig anerkannten Ge-
setzlichkeit der Form des Wollens, Tuns, Fühlens. So gemeint ist Wahrheit eine zeit-
lose, ist unser zeitliches Dasein eine mehr oder weniger weitgehende Verwirklichung
dieses einen zeitlosen Bestandes.
Die schroffe Trennung zwischen der Wirklichkeit lebendigen Bewußtseins in zeit-
lichem Geschehen und der Unwirklichkeit des Bewußtseins überhaupt als Stätte des
zeit|losen Sinns der einen Wahrheit ist jedoch nicht endgültig, sondern eine im Erhel- 49
len des Umgreifenden zu durchschreitende Abstraktion. Die Wirklichkeit dieses Sinns
selbst als hervorgebrachte, sich selbst erfassende und darin sich bewegende Zeitlich-
keit ist das neue Umgreifende, das Geist heißt. -
Geist ist die dritte Weise des Umgreifenden,133 als das wir sind. Aus dem Ursprung
seines Seins ist Geist die Ganzheit verstehbaren Denkens, Tuns, Fühlens, die nicht in
sich geschlossener Gegenstand für mein Wissen wird, sondern Idee bleibt. Wenn der
Geist notwendig orientiert ist an der Evidenz der Wahrheit des Bewußtseins überhaupt
wie an der Wirklichkeit des ihm Anderen, der erkannten und genutzten Natur, so ist
er doch in beidem bewegt durch die alles ins Helle und in Zusammenhang bringen-
den Ideen. Er ist die umgreifende Wirklichkeit der Aktivität, die mit dem ihm Entge-
genkommenden und mit sich selbst sich verwirklicht in stets schon gegebener und
stets auch verwandelter Welt. Er ist der Prozeß des Einschmelzens und Wiederhervor-
bildens aller Ganzheit, nie vollendet und doch jederzeit erfüllte Gegenwart des Weges
zu möglicher Vollendung des Daseins, in der das Allgemeine das Ganze und jedes Be-
sondere ein Gliedsein im Ganzen wäre. Aus stets wirklicher und stets auch zerbrechen-
der Ganzheit drängt er vorwärts, sich aus gegenwärtigem Ursprung seine mögliche
Wirklichkeit wieder und wieder zu schaffen; weil auf das Ganze dringend, will er be-
wahren, steigern, alles auf alles beziehen, nichts ausschließen, jedem seinen Ort und
jedem seine Grenzen geben.134
Geist ist im Unterschied von der Abstraktion des zeitlosen Bewußtseins überhaupt
wieder zeitliches Geschehen; als solches ist er dem Dasein vergleichbar; aber im Un-
terschied von diesem ist er in Bewegung durch die Reflexion des Wissens statt bloß
durch ein biologisch-psychologisches | Geschehen. Von innen verstehbar, nicht als 50
Naturgeschehen erforschbar, ist Geist ständig auf das Allgemeine im Bewußtsein über-
haupt gerichtet, damit ein Erfassen seiner selbst und ein Arbeiten an sich durch Ver-
neinen und Bejahen; er ist ein mit sich ringendes Sichhervorbringen.
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sein überhaupt nehmen wir teil an einem Unwirklichen, der allgemeingültigen Wahr-
heit,132 und sind als solches Bewußtsein ein grenzenlos Umgreifendes. Als lebendiges
bewußtes Dasein jeweils nur eine Art, ja ein einmaliges in seine Subjektivität einge-
schlossenes Individuum, sind wir ein Umgreifendes als Möglichkeit des Wissens und
als Möglichkeit gemeinsamen Wissens vom Sein in jeder der Weisen, durch die es für
Bewußtsein zur Erscheinung kommt. Und zwar nehmen wir teil nicht nur an der Rich-
tigkeit des Erkennbaren, sondern auch an einer als allgemeingültig anerkannten Ge-
setzlichkeit der Form des Wollens, Tuns, Fühlens. So gemeint ist Wahrheit eine zeit-
lose, ist unser zeitliches Dasein eine mehr oder weniger weitgehende Verwirklichung
dieses einen zeitlosen Bestandes.
Die schroffe Trennung zwischen der Wirklichkeit lebendigen Bewußtseins in zeit-
lichem Geschehen und der Unwirklichkeit des Bewußtseins überhaupt als Stätte des
zeit|losen Sinns der einen Wahrheit ist jedoch nicht endgültig, sondern eine im Erhel- 49
len des Umgreifenden zu durchschreitende Abstraktion. Die Wirklichkeit dieses Sinns
selbst als hervorgebrachte, sich selbst erfassende und darin sich bewegende Zeitlich-
keit ist das neue Umgreifende, das Geist heißt. -
Geist ist die dritte Weise des Umgreifenden,133 als das wir sind. Aus dem Ursprung
seines Seins ist Geist die Ganzheit verstehbaren Denkens, Tuns, Fühlens, die nicht in
sich geschlossener Gegenstand für mein Wissen wird, sondern Idee bleibt. Wenn der
Geist notwendig orientiert ist an der Evidenz der Wahrheit des Bewußtseins überhaupt
wie an der Wirklichkeit des ihm Anderen, der erkannten und genutzten Natur, so ist
er doch in beidem bewegt durch die alles ins Helle und in Zusammenhang bringen-
den Ideen. Er ist die umgreifende Wirklichkeit der Aktivität, die mit dem ihm Entge-
genkommenden und mit sich selbst sich verwirklicht in stets schon gegebener und
stets auch verwandelter Welt. Er ist der Prozeß des Einschmelzens und Wiederhervor-
bildens aller Ganzheit, nie vollendet und doch jederzeit erfüllte Gegenwart des Weges
zu möglicher Vollendung des Daseins, in der das Allgemeine das Ganze und jedes Be-
sondere ein Gliedsein im Ganzen wäre. Aus stets wirklicher und stets auch zerbrechen-
der Ganzheit drängt er vorwärts, sich aus gegenwärtigem Ursprung seine mögliche
Wirklichkeit wieder und wieder zu schaffen; weil auf das Ganze dringend, will er be-
wahren, steigern, alles auf alles beziehen, nichts ausschließen, jedem seinen Ort und
jedem seine Grenzen geben.134
Geist ist im Unterschied von der Abstraktion des zeitlosen Bewußtseins überhaupt
wieder zeitliches Geschehen; als solches ist er dem Dasein vergleichbar; aber im Un-
terschied von diesem ist er in Bewegung durch die Reflexion des Wissens statt bloß
durch ein biologisch-psychologisches | Geschehen. Von innen verstehbar, nicht als 50
Naturgeschehen erforschbar, ist Geist ständig auf das Allgemeine im Bewußtsein über-
haupt gerichtet, damit ein Erfassen seiner selbst und ein Arbeiten an sich durch Ver-
neinen und Bejahen; er ist ein mit sich ringendes Sichhervorbringen.