Das Sein des Umgreifenden
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Wißbare nur als eine Perspektive oder benutzt es als ein Mittel. Wir bewegen uns for-
schend im Umgreifenden, das wir sind, dadurch, daß wir unser Dasein uns zum Ge-
genstand machen, auf es wirken, mit ihm umgehen, aber dabei müssen wir zugleich
aus ihm hören, daß wir es nie in die Hand bekommen - außer dem, daß wir es in toto
als Unbegriffenes zerstören können.
Keine Kunstwissenschaft erfaßt als Wissenschaft, was die eigentliche Wirklichkeit
der Kunst ist, d.h. was in der Kunst als Wahrheit erfahren und hervorgebracht wurde.
Was etwa gegenständlich »Ausdruck« heißt und auf ein »Lebensgefühl« oder einen
Charakter bezogen wird, das ist an sich Mitteilung aus dem Ursprung an möglichen
Ursprung und ist umgreifende Wirklichkeit.
Keine Religionswissenschaft (Religionsgeschichte, Religionspsychologie, Religions-
soziologie) erfaßt, was als Religion wirklich ist. Wissenschaft kann Religionen kennen
und verstehen, ohne daß der Forschende in irgendeiner selbst steht und glaubt. Der
wirkliche Glaube ist nicht wißbar. -
Das Umgreifende hält gegen die Wißbarkeit mich selber frei. Das Gewußte aber
führt mich, wenn ich den Wissens|inhalt schon für die Wirklichkeit selbst halte, 20
gleichsam um die Wirklichkeit herum. Positiv zu entwickeln, was erkannt wird, ist die
philosophische Aufgabe innerhalb jeder Wissenschaft. Alle Veranstaltung auf Grund
meines Wissens ist angewiesen auf das nicht gesehene Umgreifende: die medizinische
Behandlung auf das undurchschaute Leben, die planvolle Veränderung des mensch-
lichen Daseins auf den wirklichen, nie durchschauten Glauben und auf das umgrei-
fende Wesen im Rang der Menschen. Alle wahre Veranstaltung ist daher mit geführt
von diesem Umgreifenden, das doch die Erkenntnis nirgends beiseite schiebt. Denn
keineswegs wird das uns mögliche Wissen durch das Innewerden des Umgreifenden
aufgehoben. Vielmehr wird dieses Wissen zugleich mit seiner Relativierung aus einer
neuen Tiefe heraus ergriffen; denn seine grenzenlose Bewegung wird hineingenom-
men in einen Raum, der zwar nirgends gewußt, aber gegenwärtig wird als das alles Ge-
wußte gleichsam Durchleuchtende.
Kein gewußtes Sein ist das Sein. Als das, als was ich mich weiß, bin ich nie eigent-
lich ich selbst. Als das, als was ich das Sein weiß, ist es nie das Sein an sich. Alles Ge-
wußtsein ist ein Gewordensein, als solches ein partikular Ergriffenes, aber zugleich
auch Verdeckendes und Verengendes. Man muß es als eine Eingeschlossenheit wieder
durchbrechen, kann aber nur bei rückhaltloser und sachnaher Bemächtigung der im-
mer partikularen Erkenntnis im Durchbruch auch den Gehalt finden.
3. Es ist eine Grundentscheidung, ob ich die Gesamtheit der Weisen des Umgreifen-
den im Philosophieren gegenwärtig halte oder nicht. Es scheint möglich, in einzelnen
Weisen - der Welt, dem Bewußtsein überhaupt, dem Dasein oder dem Geist, oder in
einer Gruppe von ihnen - das eigentliche Sein zu ergreifen. Jedesmal entstehen eigen-
tümliche Unwahrheiten und Wirklichkeitsverluste.
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Wißbare nur als eine Perspektive oder benutzt es als ein Mittel. Wir bewegen uns for-
schend im Umgreifenden, das wir sind, dadurch, daß wir unser Dasein uns zum Ge-
genstand machen, auf es wirken, mit ihm umgehen, aber dabei müssen wir zugleich
aus ihm hören, daß wir es nie in die Hand bekommen - außer dem, daß wir es in toto
als Unbegriffenes zerstören können.
Keine Kunstwissenschaft erfaßt als Wissenschaft, was die eigentliche Wirklichkeit
der Kunst ist, d.h. was in der Kunst als Wahrheit erfahren und hervorgebracht wurde.
Was etwa gegenständlich »Ausdruck« heißt und auf ein »Lebensgefühl« oder einen
Charakter bezogen wird, das ist an sich Mitteilung aus dem Ursprung an möglichen
Ursprung und ist umgreifende Wirklichkeit.
Keine Religionswissenschaft (Religionsgeschichte, Religionspsychologie, Religions-
soziologie) erfaßt, was als Religion wirklich ist. Wissenschaft kann Religionen kennen
und verstehen, ohne daß der Forschende in irgendeiner selbst steht und glaubt. Der
wirkliche Glaube ist nicht wißbar. -
Das Umgreifende hält gegen die Wißbarkeit mich selber frei. Das Gewußte aber
führt mich, wenn ich den Wissens|inhalt schon für die Wirklichkeit selbst halte, 20
gleichsam um die Wirklichkeit herum. Positiv zu entwickeln, was erkannt wird, ist die
philosophische Aufgabe innerhalb jeder Wissenschaft. Alle Veranstaltung auf Grund
meines Wissens ist angewiesen auf das nicht gesehene Umgreifende: die medizinische
Behandlung auf das undurchschaute Leben, die planvolle Veränderung des mensch-
lichen Daseins auf den wirklichen, nie durchschauten Glauben und auf das umgrei-
fende Wesen im Rang der Menschen. Alle wahre Veranstaltung ist daher mit geführt
von diesem Umgreifenden, das doch die Erkenntnis nirgends beiseite schiebt. Denn
keineswegs wird das uns mögliche Wissen durch das Innewerden des Umgreifenden
aufgehoben. Vielmehr wird dieses Wissen zugleich mit seiner Relativierung aus einer
neuen Tiefe heraus ergriffen; denn seine grenzenlose Bewegung wird hineingenom-
men in einen Raum, der zwar nirgends gewußt, aber gegenwärtig wird als das alles Ge-
wußte gleichsam Durchleuchtende.
Kein gewußtes Sein ist das Sein. Als das, als was ich mich weiß, bin ich nie eigent-
lich ich selbst. Als das, als was ich das Sein weiß, ist es nie das Sein an sich. Alles Ge-
wußtsein ist ein Gewordensein, als solches ein partikular Ergriffenes, aber zugleich
auch Verdeckendes und Verengendes. Man muß es als eine Eingeschlossenheit wieder
durchbrechen, kann aber nur bei rückhaltloser und sachnaher Bemächtigung der im-
mer partikularen Erkenntnis im Durchbruch auch den Gehalt finden.
3. Es ist eine Grundentscheidung, ob ich die Gesamtheit der Weisen des Umgreifen-
den im Philosophieren gegenwärtig halte oder nicht. Es scheint möglich, in einzelnen
Weisen - der Welt, dem Bewußtsein überhaupt, dem Dasein oder dem Geist, oder in
einer Gruppe von ihnen - das eigentliche Sein zu ergreifen. Jedesmal entstehen eigen-
tümliche Unwahrheiten und Wirklichkeitsverluste.