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Jaspers, Karl; Kaegi, Dominik [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 8): Schriften zur Existenzphilosophie — Basel: Schwabe Verlag, 2018

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https://doi.org/10.11588/diglit.69895#0253
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Stellenkommentar

hältnis zu Kierkegaard, den er »noch vor Nietzsche für den wichtigsten Denker unseres
nachkantischen Zeitalters« hielt (Die großen Philosophen. Nachlaß i, 416), fand Jaspers le-
benslang nicht: »Mit einigem Zagen gehe ich an die Darstellung Kierkegaards«, beginnt die
letzte Kierkegaard-Vorlesung 1958/59. Zurückhaltend hatte Jaspers schon im Mai 1933 auf
direkte Fragen von Felix Meiner reagiert, dem einige Kierkegaardiana, u.a. die Tagebücher,
zur Übersetzung angeboten waren: »Wie urteilen Sie überhaupt über das Interesse an Kier-
kegaard unter den neuen Verhältnissen?«, wollte Meiner wissen, der dabei erkennbar auf
den deutschnationalen Umbruch und die »jetzt im Vordergrund stehenden geistigen
Kräfte« anspielte - ob man annehmen könne, dass diese >Kräfte< »sich zu K. zurückfinden
werden? Da Männer wie Sie und Martin Heidegger zu den Freunden K.s zählen, könnten
solche positive Verbindungen sich wohl finden lassen« (F. Meiner an K. Jaspers, 8. Mai 1933,
KJG III/8.I, 208). Es sei »unklar«, antwortet Jaspers, wie Kierkegaard in Zukunft aufgenom-
men werde: »Im gegenwärtigen Augenblick ist er m.E. unzeitgemäss« (K. Jaspers an F. Mei-
ner, hs. Entwurf, o.D., ebd., 209). Indirekt erhält so die emphatische Würdigung des >unzeit-
gemäßen< Kierkegaard kurz darauf in den Groninger Vorträgen auch eine politische Note.
Über Jahresfristen von der Arbeit am Nietzsche-Buch okkupiert, nimmt Jaspers 1937 die
Kierkegaard-Lektüre wieder auf, und zunächst mit Begeisterung, auch atmosphärisch, wie
ein Brief an die Eltern (16. März 1937) belegt: »Zur Zeit lese ich seit Tagen Kierkegaard für
mein Seminar. Es interessiert mich sehr, das mir bekannte fast mit neuen Augen zu lesen.
Man begreift immer mehr, unterscheidet - ich hoffe wenigstens - besser das Wesentliche
und fasst die entscheidenden Fragen praegnanter. Nach Nietzsche wirkt Kierkegaard viel
tiefer. Auch freue ich mich der anderen Landschaft. Bei Nietzsche lebt man im Hochge-
birge und am Mittelmeer. Bei Kierkegaard ist ständig die Rede von Wolken, Wäldern, jüti-
scher Heide, von Meer und Buchenwäldern. Die beiden sind von ihren Landschaften gar
nicht zu trennen.« Die Begeisterung hält nicht lange: »Kierkegaard werde ich wohl lassen,
da ich nicht dänisch lese. Zudem mache ich bei Einsicht in Kierkegaardliteratur die Erfah-
rung, dass bisher jeder, der über Kierkegaard schreibt, sich philosophisch blamiert. Trotz
mancher Manuscripte von mir über Kierkegaard habe ich zur Zeit keinen Elan, mich an
diesem Feuer zu verbrennen« (K. Jaspers an H. Pollnow, 18. August 1937). Erst in Basel kehrt
der Elan zurück, zumindest in Form kleinerer Essays - »Kierkegaard« [1951], »Kierkegaard.
Zu seinem 100. Todestag« [1955] und: »Kierkegaard heute« [1964]. Die für den zweiten Band
der großen Philosophen geplante Kierkegaard-Darstellung (im Kapitel »Die großen Erwe-
cker« neben Pascal, Lessing und Nietzsche) fußt im Wesentlichen auf der genannten Vor-
lesung vom Wintersemester 1958/59: Die großen Philosophen. Nachlaß 1, 416-476 und 2,
763-909. Eine nochmalige Wendung nimmt das Verhältnis zu Kierkegaard (und Nietzsche)
im Alter: »Seit ich in den letzten Jahren Max Weber, wie ich glaube, besser und tiefer ver-
standen habe, sehe ich Kierkegaard und Nietzsche mit etwas anderen Augen. Beide wirk-
ten [...] für Redlichkeit. Beide konnten, was sich ihnen zeigte [...] im Grunde nicht ertra-
gen.« Erst Weber, anders als diese »ewigen Jünglinge[] und fragwürdigen Menschen« ein
»Mann«, habe »wirklich ernst gemacht mit der grenzenlosen Redlichkeit« (K. Jaspers an
H. Arendt, 29. April 1966, in: Briefwechsel 1926-1969, 671-672; vgl. »Karljaspers - ein Selbst-
porträt«, 33-34 und unten Nr. 36). - Umfassend zur Kierkegaard-Rezeption Jaspers' I. Czakö:
»Karl Jaspers. A Great Awakener's Way to Philosophy of Existence«, in: Kierkegaard and
Existentialism. Hg. von J. Stewart, Farnham und Burlington 2011, 155-197. Zu Nietzsche vgl.
 
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