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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0075
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Grundsätze des Philosophierens

zuerst, und zwar dadurch, dass er mich mir selber helfen lässt, mir die Kraft verleiht,
mich mir schenkt.
Die Erfahrung dieser Hilfe steht gegen die Vielgötterei, die alles irgendwie durch
Dämonen geschehen lässt: »ein Gott tat es«,76 ist das Bewusstsein allen Ereignissen, Er-
fahrungen3 und eigenen Handlungen gegenüber; ein solches Bewusstsein steigert und
heiligt sie, aber lässt sie auch sich zerstreuen in der Mannigfaltigkeit der vitalen und
geistigen Daseinsmöglichkeiten. Die Hilfe Gottesb im eigentlichen Selbstsein, das sich
darin radikal abhängig weiss, ist die Hilfe des Einen.
Die Hilfe von aussen ist grenzenlos vieldeutig und mit der Kategorie »Hilfe« durch-
weg in einen für uns bestimmten Sinn eingeschlossen und damit in ihrem eigentli-
chen Sinn verfehlt. Dem Menschen, dem das Leben transparent wurde, sind alle Mög-
lichkeiten, darunter auch die Situationen der ausweglosen Vernichtung, von Gott
geschickt. Dann ist eine jede Situation Aufgabe für die Freiheit des Menschen, der darin
steht, wächst und scheitert; die Aufgabe ist aber nicht als immanentes Glücksziel zu-
reichend bestimmbar, sondern erst in der Begegnung mit der Transzendenz klar, wenn
Gott sie gibt durch die offenbar werdende Unbedingtheitc.
5. Die Realität in der Welt hat ein verschwindendes Dasein zwischen Gott und Existenz77
Die menschliche Realität scheint das Gegenteil zu lehren: dem Menschen gilt die Welt
oder etwas in der Welt als absolut. Und man kann vom Menschen, der so vieles zum
letzten Inhalt seines Wesens gemacht hat, sagen: woran du dich hältst, worauf du set-
zest, das ist eigentlich dein Gott (Luther).78 Der Mensch kann nicht anders als etwas
absolut nehmen, mag er es wollen und wissen oder nicht, mag er es zufällig und wech-
selnd, oder entschieden und kontinuierlich tun. Für den Menschen gibt es so gleich-
sam den Ort des Absoluten. Dieser Ort ist für ihn unumgehbar. Er muss ihn ausfüllen.
Diese Ausfüllung geschieht durch das jeweils von ihm ergriffene Weltsein, welches
das Symbol (das Gleichnis, die Inkarnation) des Seins wird, oder sie geschieht durch
ein Transzendieren über alles Weltsein, oder sie vereint beides.
a. Historische Beispiele des Transzendierens der Welt. - Indische Asketen - und ein-
zelne Mönche in China und im Abendland - verliessen die Welt, um in weltloser Me-
ditation des Absoluten inne zu werden. Die Welt war wie verschwunden, das Sein -
von der Welt her gesehen das Nichts - alles.

a allen Ereignissen, Erfahrungen im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu den Ereignissen
b nach Gottes im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Einf. dagegen
c sondern erst in der Begegnung mit der Transzendenz klar, wenn Gott sie gibt durch die offenbar
werdende Unbedingtheit im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu sondern erst klar durch die in der
Begegnung mit der Transzendenz offenbar werdende Unbedingtheit
 
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