Grundsätze des Philosophierens
73
Chinesische Mystiker befreiten sich vom haftenden Begehren in der Welt zu reiner
Beschauung/ in der ihnen alles Dasein Sprache wurde/ transparent, verschwindende
Erscheinung des Ewigen und unendliche Allgegenwart seines Gesetzesc. Ihnen tilgte
sich die Zeit in der Ewigkeit zur Gegenwärtigkeit der Sprache der Welt.
Abendländische Forscher, Philosophen, Dichter, selten auch Täter, gingen durch
die Welt, als ob sie, in aller Bindung an sie, ständig wie von aussen her kämen. Aus ei-
ner fernen Heimat stammend, fanden sie in der Welt sich und die Dinge und über-
schritten in innigster Nähe zu ihnen die zeitliche Erscheinung zugunsten ihrer Erin-
nerung des Ewigen/
b. Seinsharmonie und Zerrissenheit. - Der Weltoptimismus, der die Welt als eine
Seinsharmonie erblickt, ist ein schöner Irrtum, zu dem in relativer Glückslage der Zau-
ber der weltlichen Erfüllung verführt. Gegen diese Unwahrheit empört sich die der
ganzen Realität ins Angesicht blickende Verzweiflung; ihr Trotz kann zu gottlosem Ni-
hilismus werden/
Die Wahrhaftigkeit muss diesen doppelten Irrtumf - die Seinsharmonie und die ni-
hilistische Zerrissenheit - durchschauen. In beiden steckt ein Totalurteil auf Grund
unzureichenden Wissens®. Gegen die Fixierung der entgegengesetzten Totalurteile
aber steht11 die Bereitschaft des unablässigen Hörens auf Ereignis, Schicksal und eige-
nes Getanhaben im zeitlichen Gang des' Lebens. Mit solcher Bereitschaft ist verknüpft:
a nach Beschauung, im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Einf. zugewandt der Welt,
b wurde, im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu wurde. Es wurde
c Gesetzes im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu Tao
d nach Ewigen, im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Einf. 11 Man hat das Transcendieren mythisch interpre-
tiert: 11 Die Gnosis liess den Menschen sich begreifen als hinabgeworfen in eine ihm fremde Welt.
Der Mensch ist anderswo zu Hause. Wie zerstreute Lichtfunken ins Dunkel, so sind die mensch-
lichen Seelen hineingeraten in die böse Welt, hier für eine Weile gebunden, entweder verführt
vom luziferischen Glanz der Welt oder zurückdrängend in ihre eigentliche Heimat. 11 Christen
dachten den Menschen als zu dem Geschaffenen gehörig, das nicht nur Welt, sondern unsterb-
lich ist. 11
e Gegen diese Unwahrheit empört sich die der ganzen Realität ins Angesicht blickende Verzweif-
lung; ihr Trotz kann zu gottlosem Nihilismus werden, im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu Ge-
gen diesen schönen Irrtum empört sich etwas in uns angesichts der rückhaltlos nach allen ihren
Erscheinungen erfassten Realität der Welt. Die Welt zeigt sich in ihrer Zerrissenheit, ihrem sinn-
fremden Leid und Unheil, ihrer Zerstörung. Der Weltpessimismus verwirft den »ruchlosen« Op-
timismus. Seine Verzweiflung kann zum Trotz in gottlosem Nihilismus werden.
f doppelten Irrtum im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu entgegengesetzten Schein
g ein Totalurteil auf Grund unzureichenden Wissens im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu der Irr-
tum eines Totalurteils auf Grund unzureichenden Wissens unter jeweiliger Bevorzugung eines
Teils von Realitäten und Vernachlässigung anderer
h Gegen die Fixierung der entgegengesetzten Totalurteile aber steht im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs.
Vdg. zu Gegen diese Fixierung entgegengesetzter Totalurteile steht
i nach des im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Einf. stets noch unabgeschlossenen
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Chinesische Mystiker befreiten sich vom haftenden Begehren in der Welt zu reiner
Beschauung/ in der ihnen alles Dasein Sprache wurde/ transparent, verschwindende
Erscheinung des Ewigen und unendliche Allgegenwart seines Gesetzesc. Ihnen tilgte
sich die Zeit in der Ewigkeit zur Gegenwärtigkeit der Sprache der Welt.
Abendländische Forscher, Philosophen, Dichter, selten auch Täter, gingen durch
die Welt, als ob sie, in aller Bindung an sie, ständig wie von aussen her kämen. Aus ei-
ner fernen Heimat stammend, fanden sie in der Welt sich und die Dinge und über-
schritten in innigster Nähe zu ihnen die zeitliche Erscheinung zugunsten ihrer Erin-
nerung des Ewigen/
b. Seinsharmonie und Zerrissenheit. - Der Weltoptimismus, der die Welt als eine
Seinsharmonie erblickt, ist ein schöner Irrtum, zu dem in relativer Glückslage der Zau-
ber der weltlichen Erfüllung verführt. Gegen diese Unwahrheit empört sich die der
ganzen Realität ins Angesicht blickende Verzweiflung; ihr Trotz kann zu gottlosem Ni-
hilismus werden/
Die Wahrhaftigkeit muss diesen doppelten Irrtumf - die Seinsharmonie und die ni-
hilistische Zerrissenheit - durchschauen. In beiden steckt ein Totalurteil auf Grund
unzureichenden Wissens®. Gegen die Fixierung der entgegengesetzten Totalurteile
aber steht11 die Bereitschaft des unablässigen Hörens auf Ereignis, Schicksal und eige-
nes Getanhaben im zeitlichen Gang des' Lebens. Mit solcher Bereitschaft ist verknüpft:
a nach Beschauung, im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Einf. zugewandt der Welt,
b wurde, im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu wurde. Es wurde
c Gesetzes im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu Tao
d nach Ewigen, im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Einf. 11 Man hat das Transcendieren mythisch interpre-
tiert: 11 Die Gnosis liess den Menschen sich begreifen als hinabgeworfen in eine ihm fremde Welt.
Der Mensch ist anderswo zu Hause. Wie zerstreute Lichtfunken ins Dunkel, so sind die mensch-
lichen Seelen hineingeraten in die böse Welt, hier für eine Weile gebunden, entweder verführt
vom luziferischen Glanz der Welt oder zurückdrängend in ihre eigentliche Heimat. 11 Christen
dachten den Menschen als zu dem Geschaffenen gehörig, das nicht nur Welt, sondern unsterb-
lich ist. 11
e Gegen diese Unwahrheit empört sich die der ganzen Realität ins Angesicht blickende Verzweif-
lung; ihr Trotz kann zu gottlosem Nihilismus werden, im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu Ge-
gen diesen schönen Irrtum empört sich etwas in uns angesichts der rückhaltlos nach allen ihren
Erscheinungen erfassten Realität der Welt. Die Welt zeigt sich in ihrer Zerrissenheit, ihrem sinn-
fremden Leid und Unheil, ihrer Zerstörung. Der Weltpessimismus verwirft den »ruchlosen« Op-
timismus. Seine Verzweiflung kann zum Trotz in gottlosem Nihilismus werden.
f doppelten Irrtum im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu entgegengesetzten Schein
g ein Totalurteil auf Grund unzureichenden Wissens im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu der Irr-
tum eines Totalurteils auf Grund unzureichenden Wissens unter jeweiliger Bevorzugung eines
Teils von Realitäten und Vernachlässigung anderer
h Gegen die Fixierung der entgegengesetzten Totalurteile aber steht im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs.
Vdg. zu Gegen diese Fixierung entgegengesetzter Totalurteile steht
i nach des im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Einf. stets noch unabgeschlossenen