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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0086
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II. Teil

Voraussetzungen des philosophischen Glaubens,
DIE SICH IM TRANSCENDIERENDEN DENKEN AUSWEISEN

Glaubensgehalte sind in uns wirksam, bevor der Gedanke sie in voller Helligkeit er-
fasst. Das sich bewusst werdende philosophische Denken findet sie als Grundgewiss-
heiten, die aus der Überlieferung vom Einzelnen schon angeeignet wurden, bevor ihre
Durchleuchtung im philosophischen Denken sich vollzieht.
Philosophieren gehört zum Menschen. Der Mensch ist in der Welt das einzige We-
sen, dem durch sein Dasein das Sein offenbar wird. Er kann sich im Dasein als solchem
nicht schon erfüllen, im Daseinsverwirklichen und im Daseinsgenuss sich nicht ge-
nügen. Er durchbricht alle scheinbar sich in der Welt vollendende Daseinswirklich-
keit. Er weiss als Mensch sich erst eigentlich wirklich, wenn er offen für das Sein im
Ganzen, in der Welt mit der Transcendenz lebt. Im Ergreifen und im Überwinden des
Daseins drängt er zum Sein. Er sucht das Ewige; denn in der Welt kann er sich nicht
als ein blosses Ergebnis von Weltgeschehen begreifen. Daher überschreitet er sein Da-
sein und die Welt bis zum Grunde von Dasein und Welt, dorthin, wo er seines Ur-
sprungs gewiss wird gleichsam in einer Mitwissenschaft mit dem Sein.82
Diese denkende Bewegung des sich nicht genügenden Menschen heisst Philoso-
phieren. Es ist der Gang, den er mit seinem Wesen tut im Medium des Denkens. Phi-
losophische Gedanken sind daher dem Menschen als Menschen zu eigen, sind von je-
dem in Ansätzen, wenn auch noch ohne Bewusstsein ihres philosophischen
Charakters, vollzogen. Solche Gedankengänge zu finden, sie zu reinigen und zu ent-
falten, und sie zu wiederholen im Wiedererkennen des in Jahrtausenden Gedachten,
ist Sache der Philosophie als eines fachlichen, zum Beruf werdenden Denkens. Dazu
gehört eine Reflexion nicht nur auf die Inhalte des Glaubens, sondern auf die Form,
den Zusammenhang, den Grund dieses Denkens, kurz eine methodische Besinnung,
welche philosophische Logik heisst. Hier ist nur die Aufgabe, auf dieses Denken hin-
zuweisen und es an einigen elementaren Gedanken beispielsweise zu zeigen.
Das philosophische Denken geht mehrere, unter sich unterscheidbare, wenn auch
sich überschneidende Wege, zum Beispiel:
 
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