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Grundsätze des Philosophierens
ist angewiesen auf anderes. Als wissenschaftliche Erkenntnis ist er angewiesen auf An-
schauung in der Erfahrung. Als Philosophie ist er angewiesen auf Glaubensgehalte.
Der Verstand kann wohl im Denken vor Augen bringen, reinigen, entfalten, er kann
in Einzelzusammenhängen begründen, aber es muss ihm gegeben sein und auf seinem
Wege immer neu gegeben werden, was seinem Meinen gegenständliche Bedeutung,
seinem Denken Erfüllung, seinem Tun Sinn, seinem Philosophieren Seinsgehalt gibt.
Woher diese Voraussetzungen kommen, auf die das Denken angewiesen bleibt, ist
am Ende unerkennbar. Von ihnen gehen wir aus, um zu ihnen zurückzukehren. Wir
erleuchten sie, indem wir in Kreisen des Denkens aus ihnen zu ihnen uns bewegen.
Aber wir dringen über diese Kreise hinaus in die Tiefe nur durch neue, erweiternde,
immer wieder in sich zurückkehrende Kreise.
Äusserlich greifbar kommen die Voraussetzungen der anschaulichen Erfahrung aus
der Welt, die Voraussetzungen des Glaubens aus geschichtlicher Überlieferung. Aber
in dieser äusseren Gestalt sind die Voraussetzungen nicht das Letzte, sondern Leitfä-
den, an denen der Weg zu den eigentlichen Voraussetzungen erst zu finden ist. Denn
in jeder dieser äusseren Gestaltungen unterliegen die Voraussetzungen ständiger Prü-
fung, und zwar nicht durch den Verstand als Richter, der von sich aus wüsste, was wahr
und was richtiger Maßstab sei, sondern durch den Verstand als Mittel: der Verstand
prüft Erfahrung an anderer Erfahrung; er prüft auch überlieferten Glauben an überlie-
fertem Glauben und darin alle Überlieferung an dem ursprünglichen Erwecktwerden
der Gehalte aus dem eigenen Selbstsein. In den Wissenschaften werden für die Erfah-
rung die unentrinnbaren Anschauungen hergestellt, denen sich niemand entziehen
kann, der die angegebenen Wege beschreitet; in der Philosophie wirda das Innewerden
des Glaubens ermöglicht, der so, wie er sich im Denken findet, sich doch geschenkt
weiss.
nach wird im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Einf. durch Vergegenwärtigung der Überlieferung
Grundsätze des Philosophierens
ist angewiesen auf anderes. Als wissenschaftliche Erkenntnis ist er angewiesen auf An-
schauung in der Erfahrung. Als Philosophie ist er angewiesen auf Glaubensgehalte.
Der Verstand kann wohl im Denken vor Augen bringen, reinigen, entfalten, er kann
in Einzelzusammenhängen begründen, aber es muss ihm gegeben sein und auf seinem
Wege immer neu gegeben werden, was seinem Meinen gegenständliche Bedeutung,
seinem Denken Erfüllung, seinem Tun Sinn, seinem Philosophieren Seinsgehalt gibt.
Woher diese Voraussetzungen kommen, auf die das Denken angewiesen bleibt, ist
am Ende unerkennbar. Von ihnen gehen wir aus, um zu ihnen zurückzukehren. Wir
erleuchten sie, indem wir in Kreisen des Denkens aus ihnen zu ihnen uns bewegen.
Aber wir dringen über diese Kreise hinaus in die Tiefe nur durch neue, erweiternde,
immer wieder in sich zurückkehrende Kreise.
Äusserlich greifbar kommen die Voraussetzungen der anschaulichen Erfahrung aus
der Welt, die Voraussetzungen des Glaubens aus geschichtlicher Überlieferung. Aber
in dieser äusseren Gestalt sind die Voraussetzungen nicht das Letzte, sondern Leitfä-
den, an denen der Weg zu den eigentlichen Voraussetzungen erst zu finden ist. Denn
in jeder dieser äusseren Gestaltungen unterliegen die Voraussetzungen ständiger Prü-
fung, und zwar nicht durch den Verstand als Richter, der von sich aus wüsste, was wahr
und was richtiger Maßstab sei, sondern durch den Verstand als Mittel: der Verstand
prüft Erfahrung an anderer Erfahrung; er prüft auch überlieferten Glauben an überlie-
fertem Glauben und darin alle Überlieferung an dem ursprünglichen Erwecktwerden
der Gehalte aus dem eigenen Selbstsein. In den Wissenschaften werden für die Erfah-
rung die unentrinnbaren Anschauungen hergestellt, denen sich niemand entziehen
kann, der die angegebenen Wege beschreitet; in der Philosophie wirda das Innewerden
des Glaubens ermöglicht, der so, wie er sich im Denken findet, sich doch geschenkt
weiss.
nach wird im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Einf. durch Vergegenwärtigung der Überlieferung