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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0098
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Grundsätze des Philosophierens

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Wissenschaft mit der Schöpfung (Schelling)87 habe, oder als ob er sich erinnern könnte
an Geschautes vor allem Weltsein (Plato);88 5) in dem Bewusstsein der Unsterblichkeit,
die nicht ein blosses Fortleben in anderer Gestalt ist, sondern ein zeittilgendes Gebor-
gensein in der Ewigkeit, ihm erscheinend als Weg unablässigen Fortwirkens in der Zeit.
3. Was ist Wahrheit?
Wahrsein steht im Gegensatz zum Falschsein. Was wahr sein kann - ob Aussagen oder
Handlungen oder ein Seiendes überhaupt -, das kann auch falsch sein. Wahrheit im
Unterschied von Falschheit ist allgemein charakterisiert worden:
Entweder gilt Wahrheit im engsten Sinn als die Richtigkeit von Aussagen; Aussa-
gen sind richtig, wenn ihr Inhalt übereinstimmt mit dem Gegenstand, von dem sie et-
was aussagen.
Oder Wahrheit heisst ein Grundzug alles Seienden, wenn im Seienden zwei Momente
trennbar sind, deren Übereinstimmung Wahrheit, deren Nichtübereinstimmung Falsch-
heit ist. So liegt etwa bei Unterscheidung des empirischen und idealen Pferdes, des em-
pirischen und idealen Staates, der empirischen und idealen Freundschaft die Wahrheit
der Realität in deren Übereinstimmung. In diesem Sinne spricht man von einem wah-
ren und falschen Staat, einer wahren Freundschaft, einem echten Pferde.
Oder Wahrheit heisst Sein im Gegensatz zum Nichtsein. Und infolgedessen heisst
Wahrheit auch all das, was jeweils ein Sein oder mein eigenes Sein fördert. Wahrheit
heisst die Bemächtigung von Sein.
Oder Wahrheit heisst die Unverborgenheit im Gegensatz zur Verborgenheit (z.B.
des bewussten Antriebs im Gegensatz zu unbewussten Motiven).
Oder Wahrheit heisst die Geradheit im Gegensatz zur Verkehrung (z.B. im Denken
die sachentsprechende Folgerung im Gegensatz zur sophistischen Evidenz, - im Han-
deln die Richtigkeit im Gegensatz zur Umkehrung des Verhältnisses von Unbeding-
tem und Bedingtem).
Die Vielfachheit des Wahrheitssinns erscheint in den typischen Formeln, die in der
Geschichte der Philosophie als Kristallisierungen eindringenden Denkens überliefert
werden, so z.B. in der ständig wiederholten Formel über das Wissen Buddha’s. Es ist,
»gleichwie als ob einer Umgestürztes auf stellte, oder Verdecktes enthüllte, oder Ver-
irrten den Weg wiese, oder ein Licht in die Finsternis hielte.«89
Wollen wir für uns eine Vergegenwärtigung des Sinns von Wahrsein gewinnen, so
hilft uns als Leitfaden unsere Seinsvergewisserung in der Erhellung des Umgreifenden.
Wir sagen: Wahrheit ist so vielfach, als es Grundarten des Seins, also so vielfach, als es
Weisen des Umgreifenden gibt, in denen Sein gegenwärtig ist.
a. Vielfachheit des Wahrheitssinnes nach den Weisen des Umgreifenden. - In je-
der Weise des Umgreifenden wurzelt ein eigentümlicher Sinn von Wahrsein.
 
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