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Grundsätze des Philosophierens
bleibt, aus dem dies alles hervortritt. Das Leben äusser dem des Menschen ist nur Da-
sein in seiner Welt. Das Dasein des Menschen dagegen hat die Fülle seiner Erscheinung
dadurch, dass die folgenden Weisen des Umgreifenden in es eintreten, von ihm getra-
gen oder in seinen Dienst gezwungen werden.
bb. Wir sind Bewusstsein überhaupt: In der Spaltung von Subjekt und Objekt er-
fasst unser Bewusstsein Gegenstände in allgemeinen Formen - den Kategorien -, in
denen sie allgemeingiltig wissbar sind. Nur was in dieses Bewusstsein tritt, ist Sein für
uns. Wir sind das umgreifende Bewusstsein, in dem alles, was ist, in den Formen der
Gegenständlichkeit gemeint, gewusst, erkannt werden kann.
cc. Wir sind Geist: Alles geistige Leben, solange es nicht zerfällt in die Intellektuali-
sierung des blossen Bewusstseins überhaupt, in den Mechanismus des Verstandes, in die
Nützlichkeiten des Daseins, ist durchdrungen von Ideen. Die Ideen - z.B. die praktischen
Ideen von Berufen, wie Arzt, Lehrer, Verwaltungsbeamter, die theoretischen Ideen von
Welt, Seele, Leben usw. - führen uns in verstehbaren Zusammenhängen eines jeweils
unendlichen Ganzen. Sie führen uns als Antriebe in uns, als Zug der in der Sache liegen-
den Sinntotalität, als systematische Methode des Eindringens, des Aneignens und des
Verwirklichens. Sie sind kein Gegenstand, aber sie erscheinen in Schematen, in Entwür-
fen, Gestalten und Systematiken. Sie sind wirksam gegenwärtig und zugleich unendli-
che Aufgabe. Erst aus ihnen kann alles, was wir hervorbringen (denken, tun, fühlen),
den Sinnzusammenhang erhalten, durch den es erst wesentlich für uns ist.
Diese drei Weisen des Umgreifenden, das wir sind - Dasein, Bewusstsein überhaupt,
Geist -, sind ineinander verkettet, aber coincidieren nicht. Sie treten in Reibung mit-
einander, damit in die Bewegung gegenseitigen Sichsteigerns. Sie sind die Weisen, in
denen wir reine Immanenz, Welt, sind; d.h. in der Objektivierung dieses Umgreifen-
den zu einem Gegenständlichen erscheinen wir empirisch in adaequater Weise als Ge-
genstand der biologischen und psychologischen, der sociologischen und geisteswis-
senschaftlichen Forschung. Aber damit ist unser Sein nicht erschöpft.
dd. Wir sind Vernunft und Existenz: Wir leben aus einem Ursprung, der über das
empirisch objektiv werdende Dasein, über Bewusstsein überhaupt und Geist hinaus
liegt; dieser Ursprung sind wir als mögliche Existenz und als Vernunft. Dieses unser
Wesen, das sich empirischer Forschung entzieht und nur philosophischer Selbsterhel-
lung offenbar wird, gibt sich kund: i) in dem Ungenügen, das der Mensch an sich er-
fährt, denn es ist in ihm eine ständige Unangemessenheit zu seinem Dasein, seinem
Wissen, seiner geistigen Welt; 2) in dem Unbedingten, dem er sich unterwirft als sei-
nem eigentlichen Selbstsein oder als dem, was zu diesem Selbstsein, ihm verständlich
und giltig, gesagt ist; 3) in dem unablässigen Drang zum Einen; denn der Mensch ist
nicht zufrieden in einer Weise des Umgreifenden für sich, nicht in allen zusammen,
sondern er drängt auf die Einheit im Grunde, die Einheit, die allein das Sein und die
Ewigkeit ist; 4) in dem Bewusstsein einer unfasslichen Erinnerung, als ob er eine Mit-
Grundsätze des Philosophierens
bleibt, aus dem dies alles hervortritt. Das Leben äusser dem des Menschen ist nur Da-
sein in seiner Welt. Das Dasein des Menschen dagegen hat die Fülle seiner Erscheinung
dadurch, dass die folgenden Weisen des Umgreifenden in es eintreten, von ihm getra-
gen oder in seinen Dienst gezwungen werden.
bb. Wir sind Bewusstsein überhaupt: In der Spaltung von Subjekt und Objekt er-
fasst unser Bewusstsein Gegenstände in allgemeinen Formen - den Kategorien -, in
denen sie allgemeingiltig wissbar sind. Nur was in dieses Bewusstsein tritt, ist Sein für
uns. Wir sind das umgreifende Bewusstsein, in dem alles, was ist, in den Formen der
Gegenständlichkeit gemeint, gewusst, erkannt werden kann.
cc. Wir sind Geist: Alles geistige Leben, solange es nicht zerfällt in die Intellektuali-
sierung des blossen Bewusstseins überhaupt, in den Mechanismus des Verstandes, in die
Nützlichkeiten des Daseins, ist durchdrungen von Ideen. Die Ideen - z.B. die praktischen
Ideen von Berufen, wie Arzt, Lehrer, Verwaltungsbeamter, die theoretischen Ideen von
Welt, Seele, Leben usw. - führen uns in verstehbaren Zusammenhängen eines jeweils
unendlichen Ganzen. Sie führen uns als Antriebe in uns, als Zug der in der Sache liegen-
den Sinntotalität, als systematische Methode des Eindringens, des Aneignens und des
Verwirklichens. Sie sind kein Gegenstand, aber sie erscheinen in Schematen, in Entwür-
fen, Gestalten und Systematiken. Sie sind wirksam gegenwärtig und zugleich unendli-
che Aufgabe. Erst aus ihnen kann alles, was wir hervorbringen (denken, tun, fühlen),
den Sinnzusammenhang erhalten, durch den es erst wesentlich für uns ist.
Diese drei Weisen des Umgreifenden, das wir sind - Dasein, Bewusstsein überhaupt,
Geist -, sind ineinander verkettet, aber coincidieren nicht. Sie treten in Reibung mit-
einander, damit in die Bewegung gegenseitigen Sichsteigerns. Sie sind die Weisen, in
denen wir reine Immanenz, Welt, sind; d.h. in der Objektivierung dieses Umgreifen-
den zu einem Gegenständlichen erscheinen wir empirisch in adaequater Weise als Ge-
genstand der biologischen und psychologischen, der sociologischen und geisteswis-
senschaftlichen Forschung. Aber damit ist unser Sein nicht erschöpft.
dd. Wir sind Vernunft und Existenz: Wir leben aus einem Ursprung, der über das
empirisch objektiv werdende Dasein, über Bewusstsein überhaupt und Geist hinaus
liegt; dieser Ursprung sind wir als mögliche Existenz und als Vernunft. Dieses unser
Wesen, das sich empirischer Forschung entzieht und nur philosophischer Selbsterhel-
lung offenbar wird, gibt sich kund: i) in dem Ungenügen, das der Mensch an sich er-
fährt, denn es ist in ihm eine ständige Unangemessenheit zu seinem Dasein, seinem
Wissen, seiner geistigen Welt; 2) in dem Unbedingten, dem er sich unterwirft als sei-
nem eigentlichen Selbstsein oder als dem, was zu diesem Selbstsein, ihm verständlich
und giltig, gesagt ist; 3) in dem unablässigen Drang zum Einen; denn der Mensch ist
nicht zufrieden in einer Weise des Umgreifenden für sich, nicht in allen zusammen,
sondern er drängt auf die Einheit im Grunde, die Einheit, die allein das Sein und die
Ewigkeit ist; 4) in dem Bewusstsein einer unfasslichen Erinnerung, als ob er eine Mit-