Grundsätze des Philosophierens
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Die Worte treffen zunächst notwendig eine gegenständliche Erfahrbarkeit in der
Welt; ihr Sinn ist aber für das philosophisch zu Treffende ein gleichnishafter. Wenn z.B.
das Innere, das jeweils an der Grenze (etwa der umgreifenden Materie, des Lebens, des
Weltalls) nichtwissend gemeint wird, im Gleichnis psychologischer Erscheinungen
ausgesprochen werden soll, so ist es eine Verkehrung, wenn das metaphysische »Innen«
verwechselt wird mit dem Innen, das ich psychologisch erfahre und bin; nicht anders
ist es mit existentiellen Erhellungen des Inneren, das niemals zusammenfällta mit dem,
was ich mit Methoden psychologischer Forschung gegenständlich erkenne. Man ver-
wechselt den Gegenstand einer Betrachtung oder Untersuchung, ein Geschehen oder
ein Sosein mit dem ungegenständlichen Tun, das Entscheidung, Entschluss, Freiheit,
Schaffen heisst, aber durch solche Benennungen kein Gegenstand wird, sondern das
bleibt, was es, gemessen an gegenständlichem Sein, in der Tat nicht gibt.
Es ist daher ein Grundfehler der Philosophie, Existenzerhellung in Psychologie zu
verwandeln, Metaphysik als Forschung zu behandeln (gleichsam als eine umfassende
Hypothese oder Theorie nach Analogie naturwissenschaftlichen Denkens zu entwer-
fen), Ontologie statt Periechontologie (Erhellung des Umgreifenden) zu treiben. Wohl
aber ist es Voraussetzung für das Philosophieren, eindringende psychologische Er-
kenntnisse zu erwerben, das Wissbare von Natur und Geschichte zu ergreifen, Katego-
rienlehre als Strukturwissen von allem Seienden zu kennen. Denn nur mit solchen
Voraussetzungen ist Stoff und Sprache des Philosophierens zur Verfügung, während
sonst das vielleicht tiefe philosophische Bewusstsein stumm bleiben muss.
Wenn im Weltwissen behutsam das Gewusste und das Vermutete, der Tatbestand
und das Erschlossene unterschieden werden und alle weiteren Unterscheidungen ver-
lässlich gegenwärtig bleiben, kann von all diesem Wissbaren ein verwunderlicher Ge-
brauch im transcendierenden Gedanken geschehen: Die Unterscheidungen verlieren
ihre Endgültigkeit; die philosophische Sprache kann, am logisch-wissenschaftlichen
Massstab gesehen, wie Verwirrung anmuten, während sie einem anderen Gesetz not-
wendigen Zusammenhangs folgt. Dann bleibt die Welt offen, wird nicht als Ganzes
in einen Gegenstand verwandelt; sondern im Weltwissen selber wird der Ansatz zum
Philosophieren erweckt.
e. Denkmöglichkeiten und vollzogenes Denken: - Für die das Denken denkende
Betrachtung gibt es viele Denkmöglichkeiten. In nachdenkendem Zusehen entwirft
man Typen der Formen, der Inhalte, der Denkungsarten, der Weltanschauungen. Je-
des Ausgesagte lässt sich diesen Typen zuordnen. So kann ich über alle Möglichkeiten
gleichsam Herr sein, sie alle kennen, nutzen, versuchen, ohne von einer unter ihnen
gefangen zu sein. Doch behalte ich so nur die Schalen der Philosophien übrig, habe
nicht mehr das Philosophieren selber.
zusammenfällt in der Abschrift Gertrud Jaspers hs. Vdg. für coincidiert
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Die Worte treffen zunächst notwendig eine gegenständliche Erfahrbarkeit in der
Welt; ihr Sinn ist aber für das philosophisch zu Treffende ein gleichnishafter. Wenn z.B.
das Innere, das jeweils an der Grenze (etwa der umgreifenden Materie, des Lebens, des
Weltalls) nichtwissend gemeint wird, im Gleichnis psychologischer Erscheinungen
ausgesprochen werden soll, so ist es eine Verkehrung, wenn das metaphysische »Innen«
verwechselt wird mit dem Innen, das ich psychologisch erfahre und bin; nicht anders
ist es mit existentiellen Erhellungen des Inneren, das niemals zusammenfällta mit dem,
was ich mit Methoden psychologischer Forschung gegenständlich erkenne. Man ver-
wechselt den Gegenstand einer Betrachtung oder Untersuchung, ein Geschehen oder
ein Sosein mit dem ungegenständlichen Tun, das Entscheidung, Entschluss, Freiheit,
Schaffen heisst, aber durch solche Benennungen kein Gegenstand wird, sondern das
bleibt, was es, gemessen an gegenständlichem Sein, in der Tat nicht gibt.
Es ist daher ein Grundfehler der Philosophie, Existenzerhellung in Psychologie zu
verwandeln, Metaphysik als Forschung zu behandeln (gleichsam als eine umfassende
Hypothese oder Theorie nach Analogie naturwissenschaftlichen Denkens zu entwer-
fen), Ontologie statt Periechontologie (Erhellung des Umgreifenden) zu treiben. Wohl
aber ist es Voraussetzung für das Philosophieren, eindringende psychologische Er-
kenntnisse zu erwerben, das Wissbare von Natur und Geschichte zu ergreifen, Katego-
rienlehre als Strukturwissen von allem Seienden zu kennen. Denn nur mit solchen
Voraussetzungen ist Stoff und Sprache des Philosophierens zur Verfügung, während
sonst das vielleicht tiefe philosophische Bewusstsein stumm bleiben muss.
Wenn im Weltwissen behutsam das Gewusste und das Vermutete, der Tatbestand
und das Erschlossene unterschieden werden und alle weiteren Unterscheidungen ver-
lässlich gegenwärtig bleiben, kann von all diesem Wissbaren ein verwunderlicher Ge-
brauch im transcendierenden Gedanken geschehen: Die Unterscheidungen verlieren
ihre Endgültigkeit; die philosophische Sprache kann, am logisch-wissenschaftlichen
Massstab gesehen, wie Verwirrung anmuten, während sie einem anderen Gesetz not-
wendigen Zusammenhangs folgt. Dann bleibt die Welt offen, wird nicht als Ganzes
in einen Gegenstand verwandelt; sondern im Weltwissen selber wird der Ansatz zum
Philosophieren erweckt.
e. Denkmöglichkeiten und vollzogenes Denken: - Für die das Denken denkende
Betrachtung gibt es viele Denkmöglichkeiten. In nachdenkendem Zusehen entwirft
man Typen der Formen, der Inhalte, der Denkungsarten, der Weltanschauungen. Je-
des Ausgesagte lässt sich diesen Typen zuordnen. So kann ich über alle Möglichkeiten
gleichsam Herr sein, sie alle kennen, nutzen, versuchen, ohne von einer unter ihnen
gefangen zu sein. Doch behalte ich so nur die Schalen der Philosophien übrig, habe
nicht mehr das Philosophieren selber.
zusammenfällt in der Abschrift Gertrud Jaspers hs. Vdg. für coincidiert