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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0221
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Grundsätze des Philosophierens

Realität nicht nur das Bedingende ist, sondern das jeweils auf seiner Stufe Geschaffene,
zeigt sich noch einmal in neuer Gestalt an der Realität des Menschen. In der Folge der
Naturreiche entsteht die höhere aus sich schaffende Stufe automatisch, jederzeit, ist
gleichsam eine ständige Schöpfung. Im Menschen dagegen gibt es etwas, das zwar
noch immer in der Vorstufe des Naturseins zur Erscheinung kommt, als solche Erschei-
nung auch wie Natur untersucht wird, an sich aber über die Natur hinaus, die Reali-
tät3 der schaffenden Freiheit ist. Da entsteht die höhere Stufe seiner Realitätb geschicht-
lich, ist eine jeweilige, dann verschwindende Schöpfung. Und in den Weisen der
Freiheit gibt es schliesslich solche, die als Spiel, Illusion, als das Unverbindliche und
Wirkungslose der Kunstschöpfung gelten, also keine eigentliche Realitätc haben sol-
len, während doch in ihm die zeitlich verschwindende, ewige Wirklichkeit sprechen,
gegenwärtig erfahren, ganz da sein kann.
4. Die Ursprünglichkeit des Menschen: Aus dem Vorhergehenden ergibt sich, dass
diese ernst zu nehmen ist gegen alle Tendenzen, die den Menschen aufgehen lassen
wollen in die Kontinuität der Naturgestalten. Seine Herkunft aus dem Leben, seine Be-
schlossenheit im Lebendigsein schliesst nicht die eigentliche Wirklichkeit dessen aus,
was in ihm als neue, höhere Stufe hervorgeht. Es ist das, was ihm, wenn er zu hellstem
Bewusstsein seines geheimnisvollen Ursprungs erwacht ist, als Verbundensein mit
dem Grunde allen Seins erscheint, was ihn begreifen lässt, in welchem Sinne »der
Mensch gleichsam alles«167 ist.
III. Zusammenfassung: Was die Natur für uns ist
Die Grenzen des Naturerkennens sind philosophisch gegenwärtig, wenn die Erhellung
des Umgreifenden gewonnen ist. Dann wird das Sein im Ganzen zur Frage; die Verab-
solutierung partikularen Erkennens wird durchschaut. Existenz und Transcendenz
bleiben nicht ausserhalb des Seinsbewusstseins, wenn dieses die empirischen Endlich-
keiten des Naturseins ergreift.
Natur und Welt können nicht mehr das abgeschlossene, sich selbst genügende ab-
solute Sein bedeuten. Sie sind Erscheinung.
Wir sind in der Natur und über sie hinaus, sind völlig gebunden an sie und doch in
der Bindung nicht nur wissend [,] sondern auch aktiv aus Antrieben, die nicht Natur
sind. Wir können daher, weil wir Natur und mehr als Natur sind, in ihr leben auf zwei-
fache Weise: Wir gehen entweder in der Natur auf, erblicken und vollenden unser
Menschsein im Schema des Naturseins, verschwinden als wesentlich menschlich, -

a Realität im Ms. hs. Vdg. für Wirklichkeit
t> seiner Realität im Ms. hs. Vdg. für seines Wirklichseins
c Realität im Ms. hs. Vdg. für Wirklichkeit
 
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