Grundsätze des Philosophierens
217
lebendigen Leib, kein Mensch ohne Seele, Leben und Materie. Wohl aber gibt es Ma-
terie ohne Leben, Leben ohne Bewusstsein, Seele ohne Menschsein.
3. Ableitung der Stufen auseinander: Es ist zweierlei: die Bedingungen des Gesche-
hens der höheren Stufe in der niederen Stufe zu erkennen, und das Höhere aus dem Nie-
deren abzuleiten. Jene Erkenntnis der Bedingungen, ohne die die Verwirklichung des
Lebens, der Seele, des Geistes nicht möglich wäre, ist ein Hauptfeld realen Erkennens.
Aber solche Erkenntnis ist weder Erkenntnis des Wesens noch Erkenntnis der Herkunft.
Es ist ein täuschendes Begreiflichmachen durch vermeintliche Übergänge, wenn man
sich dem unbestimmten Gedanken hingibt: alles entsteht auseinander, alles hat sich
entwickelt, oder sich entfaltet. Eher noch wäre das Niedere als Privation, Abfall, Pro-
dukt aus dem Höheren zu begreifen als ein Entstehen des Höheren aus dem Niederen.
Wenn wir sagen, dass die Welt als Kosmos, der sich unserem Erkennen in seinem
Aspekt als leblos zeigt, doch in sich bergen müsse, was Leben, Seele, Menschen mög-
lich macht, so kann das nicht heissen, dass aus dem Leblosen als solchem das Spätere
sich herleiten lasse. Man muss sich hüten vor einem unbegründbaren, leeren Hinein-
geheimnissen in das Wissen vom Anorganischen (z.B. einer Allebendigkeit und eines
Panpsychismus in die Natur, der Kristallseelen oder der Sternseelen und Planeten-
geister),166 wie vor dem falschen Erklären des Organischen aus dem Anorganischen
(wie z.B. des Lebens aus den Erscheinungen der Atomphysik).
Statt der Ableitung steht die klare Vergegenwärtigung der Sprünge. Erkenntnis be-
deutet, diese so bestimmt und concret vor Augen zu gewinnen, dass eine das Wesent-
liche kennzeichnende Artikulation der Realität für uns erwächst. Dabei ist Realität auf
jeder Stufe von neuer, eigenständiger Art. Die Neigung, eine Weise der Realität für die
eigentliche zu halten, pflegt eine untere Stufe zu verabsolutieren und die höhere nur
unter der Kategorie der niederen aufzufassen. Der Materialismus, Biologismus, Psy-
chologismus sind Namen solcher Positionen. Die Ableitung wird zur Denaturierung
des Höheren. Es wird seines eigentlichen Wesens beraubt, gilt als ein nur Beiläufiges,
Hinzukommendes, Nichtursprüngliches, nicht nur als hinfällig (was es ist) [,] sondern
auch als unwirklich, so das Leben als eine Kombination an sich leblosen Geschehens,
die Seele als Epiphaenomen des Leibes, der Mensch als Naturprodukt. Immer ist dann
die höhere Stufe »nichts weiter als ...« Zu dieser Entwirklichung der höheren Stufen
der Realität verführt auch der Tatbestand, dass die höhere Stufe ohne die Bedingun-
gen der früheren nicht sein kann; infolgedessen vermag die niedere die höhere durch
Entziehung ihrer Bedingungen zu vernichten. Aber wenn sie vernichten kann, kann
sie darum noch nicht schaffen. Es ist eine Verkehrung, wenn ich das, was töten kann,
für die eigentliche Realität halte, das, was hervorbringen kann aber, wegen seiner Ab-
hängigkeit als Dasein, nicht mehr positiv als Realität sehe.
Diese Anzweiflung der eigenen Realität ist noch einmal gesteigert gegenüber dem
Menschen, wenn man ihn ableitet aus dem Biologischen und Psychologischen. Dass
217
lebendigen Leib, kein Mensch ohne Seele, Leben und Materie. Wohl aber gibt es Ma-
terie ohne Leben, Leben ohne Bewusstsein, Seele ohne Menschsein.
3. Ableitung der Stufen auseinander: Es ist zweierlei: die Bedingungen des Gesche-
hens der höheren Stufe in der niederen Stufe zu erkennen, und das Höhere aus dem Nie-
deren abzuleiten. Jene Erkenntnis der Bedingungen, ohne die die Verwirklichung des
Lebens, der Seele, des Geistes nicht möglich wäre, ist ein Hauptfeld realen Erkennens.
Aber solche Erkenntnis ist weder Erkenntnis des Wesens noch Erkenntnis der Herkunft.
Es ist ein täuschendes Begreiflichmachen durch vermeintliche Übergänge, wenn man
sich dem unbestimmten Gedanken hingibt: alles entsteht auseinander, alles hat sich
entwickelt, oder sich entfaltet. Eher noch wäre das Niedere als Privation, Abfall, Pro-
dukt aus dem Höheren zu begreifen als ein Entstehen des Höheren aus dem Niederen.
Wenn wir sagen, dass die Welt als Kosmos, der sich unserem Erkennen in seinem
Aspekt als leblos zeigt, doch in sich bergen müsse, was Leben, Seele, Menschen mög-
lich macht, so kann das nicht heissen, dass aus dem Leblosen als solchem das Spätere
sich herleiten lasse. Man muss sich hüten vor einem unbegründbaren, leeren Hinein-
geheimnissen in das Wissen vom Anorganischen (z.B. einer Allebendigkeit und eines
Panpsychismus in die Natur, der Kristallseelen oder der Sternseelen und Planeten-
geister),166 wie vor dem falschen Erklären des Organischen aus dem Anorganischen
(wie z.B. des Lebens aus den Erscheinungen der Atomphysik).
Statt der Ableitung steht die klare Vergegenwärtigung der Sprünge. Erkenntnis be-
deutet, diese so bestimmt und concret vor Augen zu gewinnen, dass eine das Wesent-
liche kennzeichnende Artikulation der Realität für uns erwächst. Dabei ist Realität auf
jeder Stufe von neuer, eigenständiger Art. Die Neigung, eine Weise der Realität für die
eigentliche zu halten, pflegt eine untere Stufe zu verabsolutieren und die höhere nur
unter der Kategorie der niederen aufzufassen. Der Materialismus, Biologismus, Psy-
chologismus sind Namen solcher Positionen. Die Ableitung wird zur Denaturierung
des Höheren. Es wird seines eigentlichen Wesens beraubt, gilt als ein nur Beiläufiges,
Hinzukommendes, Nichtursprüngliches, nicht nur als hinfällig (was es ist) [,] sondern
auch als unwirklich, so das Leben als eine Kombination an sich leblosen Geschehens,
die Seele als Epiphaenomen des Leibes, der Mensch als Naturprodukt. Immer ist dann
die höhere Stufe »nichts weiter als ...« Zu dieser Entwirklichung der höheren Stufen
der Realität verführt auch der Tatbestand, dass die höhere Stufe ohne die Bedingun-
gen der früheren nicht sein kann; infolgedessen vermag die niedere die höhere durch
Entziehung ihrer Bedingungen zu vernichten. Aber wenn sie vernichten kann, kann
sie darum noch nicht schaffen. Es ist eine Verkehrung, wenn ich das, was töten kann,
für die eigentliche Realität halte, das, was hervorbringen kann aber, wegen seiner Ab-
hängigkeit als Dasein, nicht mehr positiv als Realität sehe.
Diese Anzweiflung der eigenen Realität ist noch einmal gesteigert gegenüber dem
Menschen, wenn man ihn ableitet aus dem Biologischen und Psychologischen. Dass