Metadaten

Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0252
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Grundsätze des Philosophierens

249

Technik ist immer Mittel. Grenze der Technik ist, dass sie nicht aus sich selbst für
sich da sein kann, sondern Mittel bleibt. Die technische Schöpfung des Erfindens steht
im Dienste eines gegebenen Bedürfnisses und wird daher bewertet nach ihrem Nut-
zen. Im Erfinden zwar geht noch ein Anderes vor sich: die Lust am Schaffen nie dage-
wesener Gebilde, die irgendetwas leisten. Der Erfinder vermag dann zu bauen unter
Absehen von aller Nutzbarkeit. So entstanden die Automaten und Spielzeuge der Ba-
rockzeit. Aber die Auswahl und damit zuletzt entscheidende Führung des Erfindens
geht doch von der Brauchbarkeit aus. Der technische Erfinder schafft keine neuen Be-
dürfnisse des Menschen. Das Ziel muss gegeben sein, es ist zumeist selbstverständlich:
Arbeitserleichterung, Herstellung von Gebrauchsgütern, erleichterte Massenproduk-
tion usw. Wozu die Technik da sei, ist allein durch solche Nutzbarkeiten zu beantwor-
ten. Dabei aber ist die Technik zweideutig. Da sie selbst keine Ziele steckt, steht sie jen-
seits oder vor allem Gut und Böse. Sie kann dem Heil und dem Unheil gleicherweise
dienen. Sie ist beidem gegenüber an sich neutraL
Technik bezieht sich auf die leblose Natur und überall sonst nur auf die leblosen
Voraussetzungen des Lebens. Grenze der Technik ist ihre Beschränkung auf das Leb-
lose. Der Verstand, der das Machen der Technik beherrscht, ist nur dem Leblosen, dem
Mechanischen im weitesten Sinne, angepasst. Darum kann Technik als solche dem Le-
ben gegenüber nur nach Gesichtspunkten des Nutzens eines unlebendig Gewordenen
verfahren - in der Agrikulturchemie, den modernen Züchtungen und Behandlungen
mit Hormonen, Vitaminen zu maximaler Milcherzeugung u.dergl. Es ist ein merkwür-
diger Unterschied zwischen der technischen Züchtung - etwa der modernen Blu-
men -, dieser sensationellen, extremen Effekte unter dem Gesichtspunkt des Records,
und etwa den historischen Züchtungen der Jahrtausende in China; es ist der Unter-
schied wie von Fabrikat und Kunstwerk.
Was durch Technik hervorgebracht wird, hat einen universalen, keinen individu-
ellen Charakter. Wo ein besonderer Einzelgegenstand das Ziel ist, gehört Technik zu
den Mitteln eines einzelnen Arbeits- und Schaffensprocesses. Technik als solche geht
auf Typen und auf Massenproduktion von Gebrauchsgütern. Grenze der Technik ist
ihre Bindung an das Universale. Ihre allgemeine Übertragbarkeit macht sie allen Völ-
kern zugänglich, sie ist ungebunden an kulturelle Voraussetzungen. Daher ist sie an
sich etwas Ausdrucksloses, Unpersönliches, Unmenschliches. Ihr Charakter als Ver-
standesgebilde beschränkt sie auf den überall gleichen Verstand.
Technik geht auf Arbeitsersparnis und auf die Ermöglichung von ohne sie unmög-
lichen Arbeiten. Statt durch menschliche Muskeln soll durch Maschinen gearbeitet
werden, statt durch immer wieder anstrengendes Nachdenken durch Automatismus
der Apparate. Die einmalige grosse Erfinderleistung erspart die Anspannung von Mus-
keln und Verstand. Bei der Verwirklichung dieser Technik ist ihre Grenze, dass immer
wieder eine von Menschen zu leistende Arbeit bleibt, die technisch nicht ersetzbar ist,
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften