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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0253
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250

Grundsätze des Philosophierens

und dass neue Arbeiten notwendig werden, die es vorher nicht gab. Die Maschinen
müssen doch immer wieder gebaut werden; da gibt es dann Maschinen, die Maschi-
nen bauen. Wenn die Maschinen fast zu selbständigen Wesen werden, muss doch zu-
letzt irgendwo noch zur Herstellung der Maschinen und zur Bedienung, Bewachung
und Reparatur der Maschinen menschliche Arbeit geleistet werden, - ferner zur Be-
schaffung der zu verbrauchenden Rohstoffe. Die Arbeit wird an andere Stellen gescho-
ben und sie wird verändert, nicht auf gehoben. Und irgendwo bleiben die uralten, qual-
vollen Arbeiten, die keine Technik abzuschaffen vermag.
2. Wertschätzung der Technik:
aa. Entfernung von der Natur und neue Nähe zur Natur:197
Im technischen Tun ist das Machen das Wesentliche. Der Zweck und mit ihm die
technische Apparatur steht für das Bewusstsein im Vordergrund, das natürlich Gege-
bene dagegen tritt zurück in das Dunkel. Die Natur, die dem technischen Tun vor Au-
gen ist, ist das Mechanische und ist das durch Forschung Gewusste, ist ferner Unsicht-
bares (wie die Elektricität), mit dem ich in dem immer bleibenden Rahmen der
mechanischen Umwelt zu tun habe. Wer dieses Wissen garnicht erwirbt, sondern sich
auf die Nutzung beschränkt - im Stellen der Handgriffe und Schalter, im Fahren mit
der elektrischen Bahn -, der macht nur primitivste Handgriffe ohne eine Ahnung des-
sen, was eigentlich vor sich geht. So können Menschen ohne jede Beziehung zur Na-
tur die unbegriffene Technik bedienen - wenigstens auf manchen Gebieten -, wäh-
rend die natürlichere Technik der Mechanik früherer Zeiten überall Übung und
Können durch leibliche Geschicklichkeit verlangte. In anderen Bereichen erfordern
auch die technischen Apparate eine specifische Geschicklichkeit des Leibes, von der
Schreibmaschine bis zum Auto und gesteigert beim Flugzeug. Aber es ist fast immer
eine einseitige, partikulare und extreme Geschicklichkeit oder Ertragensfähigkeit des
Leibes, keine Durchbildung des Leibeslebens im Ganzen. Das technisch Wesentliche
ist eine Geschicklichkeit im Ausnutzen des technischen Wissens, um jeweils die rech-
ten Angriffspunkte zu finden, von denen aus der Zweck zu erreichen ist, und um ge-
genüber dem versagenden Apparat vom versuchenden Basteln zum methodischen
Durchschauen und wirksamen Reparieren zu kommen.
So kann die Technik die Menschen, die in ihr leben, entweder völlig von der Natur
entfernen zugunsten eines gedankenlosen mechanischen Nutzens, oder kann sie in
eine Nähe zur erforschten Natur des nur Gewussten und Unsichtbaren bringen. In bei-
den Fällen ist der Zweck die Daseinserleichterung, die Abnahme des täglichen Mühens
um die physischen Daseinsvoraussetzungen, der Gewinn von Bequemlichkeit und
Musse.
Aber Technik bringt nicht nur in die Nähe einer mechanisch erforschten Natur.
Durch Technik entsteht eine neue Welt und erwachsen neue menschliche Möglich-
keiten des Daseins in der Welt, und darin einer neuen Nähe zur Natur.
 
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