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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0254
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Grundsätze des Philosophierens

251

Zunächst die Schönheit technischer Gebilde: Es werden vollendete Formen erreicht
in Fahrzeugen, in Maschinen, in technisch hergestellten Gebrauchsgegenständen. Die
Frage ist, worin diese Schönheit des technisch Gelungenen besteht. Sie ist nicht die
blosse Zweckmässigkeit, noch weniger liegt sie in überflüssigen Ornamenten und Ver-
zierungen, die im Gegenteil unschön wirken, sondern in etwas, das im restlos zweck-
mässigen Gebilde eine Naturnotwendigkeit fühlbar macht, die im Menschenwerk erst
rein zu Tage tritt und dann etwa in bewusstlosen Hervorbringungen des hebens (so in
Strukturen des Leibes von Tieren und Pflanzen) wiedererkannt wird.
Weiter ermöglicht die Technik eine enorme Erweiterung realer Anschauung. Durch
sie wird im Kleinen und im Grossen sichtbar, was der natürlichen Wahrnehmung ver-
schlossen bleibt. Sie erlaubt durch die neuen Verkehrsmittel dem Menschen fast eine
Allgegenwärtigkeit; überall hin kann er sich bewegen, um an Ort und Stelle sich zu ver-
senken in das dort Erfahrbare, Sichtbare, Hörbare. Durch Bild und Ton wird im eige-
nen Hause gegenwärtig, was früher in unzureichenden und falschen Vorstellungen
kümmerlich und phantastisch vor dem Sinne stand oder garnicht im Bereiche des Wis-
sens davon lag. Phonograph und Film halten für die Erinnerung gegenwärtig, was ge-
schehen ist. Die Beobachtungsmöglichkeiten sind in allen Richtungen unerhört ver-
feinert und bereichert.
Schliesslich erwächst mit all dem ein neues Weltbewusstsein. Unser Erdraumge-
fühl lebt seit den Wirkungen der Technik für Verkehr und Nachrichtenwesen mit dem
Planeten. Der Globus ist vor Augen und ist erfüllt durch die täglichen Nachrichten von
überall her. Die reale Verflochtenheit der Kräfte und Interessen auf dem Erdball macht
aus ihm ein Ganzes und ein Geschlossenes.
bb. Die Verkennung der Grenzen der Technik:198
Da dem, der in der Bewegung des Erfolgs steht, technisch alles möglich zu sein
scheint, kann sich in ihm eine technische Grundeinstellung verwirklichen. Sie führt
zu dem Irrtum, alles machen zu können. Solche Verabsolutierung des Technischen
verkennt die Wirklichkeit, die mehr als Technik fordert, wenn auch in allem mensch-
lichen Tun eine Technik als Voraussetzung steckt. Das Verhalten zur Natur in Pflege
und Züchtung, zum Menschen in Erziehen und in Communication, das Hervorbrin-
gen geistiger Werke, ja das Erfinden selber ist technisch nach Regeln nicht zu leisten.
Fälschlich soll durch Technik gemacht werden3, was nur aus lebendigem Geiste ge-
schaffen werden kann. Malerei, Dichtung, Wissenschaft haben Technik nur als Mit-
tel, werden leer als technische Produkte.
cc. Wahrnehmung der Dämonie der Technik:199
Verabsolutierung und Missbrauch der Technik scheinen leicht zu durchschauen
und zu korrigieren. Aber im Technischen sind tiefere Gefahren verborgen.

a statt werden im Ms. worden
 
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