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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0375
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Grundsätze des Philosophierens

b. Vorläufiger Begriff von Autorität
Keine Gemeinschaft besteht ohne Autorität.
Nun nennt man Autorität jede anerkannte, in ihrem Grunde der Rechtfertigung
entbehrende und nicht bedürfende Macht von Menschen für Menschen.
Die Macht ist eine innerlich bezwingende; der Bezwungene gehorcht, weil er
glaubt. Und die Macht ist eine äussere Gewalt, der man sich fügen muss, wenn man
nicht Nachteile erfahren oder das Leben verlieren will. Gewalt als solche nennt man
noch nicht Autorität. Von ihr spricht man erst dann, wenn der Bezwungene innerlich
anschaut und anerkennt, was ihn bezwingt. Auf die Dauer aber besteht Autorität nur,
wenn mit ihr die Möglichkeit von äusserer Zwangsgewalt verbunden ist. Der Unter-
schied der Autoritäten ist, in welchem Sinne der Zwang als Wirkung der Autorität an-
erkannt wird.
Das Inappelable der Autorität setzt dem Fragen eine Grenze. Irgendwo in ihr liegt
der Ursprung, der sich nicht rechtfertigt, dessen Führung nur zu folgen, dessen Anwei-
sung nur zu gehorchen ist: dem Fachmann, dem Amt, dem Herrscher, einem Ort der
Entscheidung, einer Majorität, einem kanonischen Buch, dem überlieferten Gesetz,
dem Befehl des Vorgesetzten usw.
Weil jedoch Autorität ein Innerliches ist, will sie zwar nicht gerechtfertigt, aber ver-
standen sein. Wo eine bestimmte Autorität in Anspruch genommen wird, ist es daher
möglich, dass sie befragt wird nach dem Grund ihrer Autorität. Was uns begegnet, ist
durchweg abgeleitete Autorität. Sie zu verstehen, muss die ursprüngliche Autorität,
das Inappelable selber, angeschaut werden. Sie kann nur angeschaut, nicht allgemein
gedacht werden. Ich werde ihrer inne in erfüllter Geschichtlichkeit, nicht in allge-
meingiltigen Gedanken. Damit eine bestimmte Autorität wirklich Autorität habe, be-
darf es eines anderen, woraus diese Autorität sich herleitet. Dieses andere ist die Auto-
rität schlechthin, das Abgeleitete hat von daher seine Autorität. Der bewusste Anspruch
der Autorität rechtfertigt sich durch Bezug auf jene inappelable ursprüngliche Autori-
tät. Dieses andere bedingt durch seine Wesensverschiedenheit die Arten von Autori-
tät: Autorität ist entweder weltlich oder transcendent gegründet.
Die weltliche Autorität ist etwas, das zwar für den Augenblick wegen der Enge der
Zeit als fraglos giltig anerkannt wird, aber an sich grenzenloser Prüfung und Verände-
rung unterliegt; so z.B. das Wissen des Fachmanns; die überlegene Persönlichkeit; die
Gesetze, die durch ein Amt ausgeführt werden, es binden oder zum Maassstab des Ur-
teils dienen; die Majorität, die bei neuer Abstimmung sich umkehren kann; der Inhalt
eines metaphysischen Satzes, der sich bei weiterem Denken verwandelt.
Die transcendente Autorität ist am Ende begründet im Umgreifenden der Transcen-
denz, in der Gottheit, auf die eine bestimmte Erscheinung in der Welt sich beruft oder
auf die sie bezogen wird: als Gottes Wille, als von Gott gestellte Aufgabe, als Sendung,
Berufung, Einsetzung. Diese Autorität, die sich von Gott herleitet, tritt aber in der Welt
 
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