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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0391
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388

Grundsätze des Philosophierens

Transcendenz. Wo immer Gott verleibt oder der Leib vergottet wird, herrscht eine trübe
Atmosphäre von Gewaltsamkeit. Ein Gitter wird errichtet gegen Weite und Freiheit.
In diesem Collaps des Umgreifenden wird die Seele eng.
cc. Forderung der Sauberkeit der Autorität: Daher bleibt die ständige Aufgabe, die
Sauberkeit der Transcendenz zu erreichen durch die Sauberkeit unseres Bezugs zu ihr.
Nur dann wird die Autorität in der Welt rein. Es ist die Frage, wie diese Sauberkeit mög-
lich ist. Wie kann die Autorität immanent werden, ohne dass die Transcendenz preis-
gegeben wird, und ohne dass irgendeine Immanenz gleich Gott, die geschichtliche Er-
scheinung zum Absoluten wird? Das ist nur möglich durch Aufnahme aller objektiven
Verfestigung in das Umgreifende des zugleich Subjektiven und Objektiven, aus dem
wir leben. Die Aneignung der überlieferten Objektivität des Autoritativen durch Exi-
stenz lässt gerade die Objektivität einen schwebenden Charakter gewinnen.
Die Objektivität des Autoritativen ist jedoch nicht dem Einzelnen als solchen zu-
gänglich, sondern nur in Gemeinschaft. Existenz kann sich nicht absolut in sich selbst
allein gründen, sondern ist angewiesen auf die Erfüllung aus der Tiefe des Ganzen. Erst
aus der Gemeinschaft mit anderen Existenzen [,] aus der Gemeinschaft mit den Men-
schen, wird Existenz in der Vereinzelung wirklich durch Hören des Umgreifenden im
Ganzen aller. Die Autorität in geschichtlicher Erscheinung stiftet die Gemeinschaft,
verhindert die Isolierung.
Die Reinheit der Autorität fordert, sie in dieser Situation zu sehen, sie in ihr zwar
als schlechthin verbindlich, aber nicht darüber hinaus als absolut anzuerkennen. Da
das Endziel nicht in der Welt ist, kann auch weltlich erscheinende Autorität als solche
nicht das Letzte sein. Das Letzte in der Welt, hier zwar unbedingte Grenze und An-
spruch, steht doch unter Führung des Überweltlichen. Ich bedarf der Befreiung von
verweltlichter Autorität durch immer neuen ursprünglichen Bezug auf ihren Grund
in der Transcendenz. Ich werde geführt von bestimmter Autorität, soweit ich in ihr
durch die Transcendenz selber geführt werde.
dd. Autorität wird metaphysisch verstanden: Der schwebende Charakter in allen
objektiven Bestimmungen der Autorität steht im Gegensatz zur Unbedingtheit des ge-
schichtlich einmaligen Glaubens und Handelns inbezug auf Autorität und aus Auto-
rität. Dieser schwebende Charakter zeigt sich auch in allen metaphysischen Deutun-
gen, die der Autorität gegeben werden. Keine Deutung ist ein objektives Wissen von
Bestand und Grund der Autorität. Zu dem Wissen aus Freiheit für das Planen der Zu-
kunft kommt nicht ein weiteres Wissen durch Autorität hinzu. Hier ist kein Wissen,
sondern ein Wirken. Das freie Planen der Zukunft aus Ideen wird umgriffen durch das
Wirken an der Zukunft aus dem Leben mit der Autorität. Wie dieses letztere - die Au-
torität in der Geschichtlichkeit - metaphysisch gedeutet wird, sei zugleich ein Beispiel
für den schwebenden Charakter solcher Deutungen:
 
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