510 Grundsätze des Philosophierens
mit der Verwirklichung des Jahwedienstes seitens der gesamten Menschheit erreicht,
sei es am Ende der Tage mit Anbruch eines transcendenten Reiches Gottes erwartet.
Die Tendenz zur Entgeschichtlichung ist am stärksten, wo im Bewusstsein des
schon eintretenden Endes die Selbstbehauptung als solche und der Kampf radikal ver-
neint wird - Bergpredigt (denn dann ist in dieser Welt nichts mehr zu gestalten); sie
ist stark, wenn der Eintritt eines Friedensreiches durch Gottes Handlung erwartet wird
(denn dann ist das Geschehen in dieser Welt nur noch Übergang ohne eigene Angriffs-
möglichkeit); sie ist schon da, wenn Gott Allgott, nicht mehr Nationalgott ist (denn
dann leuchtet schon ein geschichtsloses Ganzes und Vollendetes als das Wesentliche).
Wie die biblische Religion sich geschichtlich gestaltet trotz ihrer Tendenz auf Ent-
geschichtlichung, zeigen mehr als zwei Jahrtausende in mannigfachen Erscheinun-
gen. Dass eine solche Gestaltung unumgänglich ist, ist klar. Wie sie stattfindet, ist be-
dingt durch die Lage der jeweiligen sociologischen Zustände und durch die politischen
Machtkonstellationen. Die Zukunft der biblischen Religion liegt daran, ob sie socio-
logische Gestalten behaupten kann.
Keine dieser Gestalten wird eine dauernde sein können. Denn eine umfassende,
bleibende Ordnung ist unmöglich. Auch für die Daseinsverwirklichungen auf Grund
der biblischen Religion gilt: Die Welt des Menschen ist nicht nach einem Princip rich-
tig und vollständig einzurichten. Jede Totaleinrichtung trägt, weil sie unwahr ist, den
Keim des Verderbens in sich. Wir leben in einem nicht übersehbaren, darum nicht
zweckhaft zu gestaltenden3 Ganzen, in dem wir als Einzelne, als Gruppen, als Völker,
als Staaten, ja als planetarisches Weltimperium je an dem gegebenen Ort partikulare
Verwirklichung bedeuten, scheiternde Endlichkeit eines Möglichen sind. Daraus folgt,
dass wir nicht ausserhalb des Ganzen stehen können; wir sind immer darin und das
Ganze ist als Ganzes für uns nicht da; was da ist, ist im Ganzen neben anderem Dasein.
So haben auch alle bestimmt ausgeprägten religiösen und philosophischen Positio-
nen ihren Ort, einen ihnen eigenen Ursprung, aber derart, dass niemand das Ganze
kennt, worin diese Orte liegen.
cc. Das Widersprechende und die Polaritäten:434 Die Bibel enthält nicht nur keine
Lehren im Ganzen, sondern in ihr kommen die schärfsten Gegensätze der Glaubens-
haltung selber zum Ausdruck. Einige Beispiele:
i) Vom Opfer der Patriarchen bis zum verwickelt konstruierten täglichen Opfer-
dienst am Tempel in Jerusalem und dem Abendmahl der Christen geht durch die Bi-
bel die Kultreligion. Darin ist immer wieder die Tendenz zur Einschränkung des Kul-
tus, so in der Abschaffung der »Höhen« (der vielen Kultstätten im Lande) zugunsten
des einen Kultus im einen Tempel zu Jerusalem, so dort die Verwandlung des boden-
ständig erlebten und lebendigen Kultus in ein amtlich vollzogenes abstraktes Ritual,
gestaltenden nach den Abschriften A. F. und Schott statt gestaltendem in der Abschrift Gertrud Jaspers
mit der Verwirklichung des Jahwedienstes seitens der gesamten Menschheit erreicht,
sei es am Ende der Tage mit Anbruch eines transcendenten Reiches Gottes erwartet.
Die Tendenz zur Entgeschichtlichung ist am stärksten, wo im Bewusstsein des
schon eintretenden Endes die Selbstbehauptung als solche und der Kampf radikal ver-
neint wird - Bergpredigt (denn dann ist in dieser Welt nichts mehr zu gestalten); sie
ist stark, wenn der Eintritt eines Friedensreiches durch Gottes Handlung erwartet wird
(denn dann ist das Geschehen in dieser Welt nur noch Übergang ohne eigene Angriffs-
möglichkeit); sie ist schon da, wenn Gott Allgott, nicht mehr Nationalgott ist (denn
dann leuchtet schon ein geschichtsloses Ganzes und Vollendetes als das Wesentliche).
Wie die biblische Religion sich geschichtlich gestaltet trotz ihrer Tendenz auf Ent-
geschichtlichung, zeigen mehr als zwei Jahrtausende in mannigfachen Erscheinun-
gen. Dass eine solche Gestaltung unumgänglich ist, ist klar. Wie sie stattfindet, ist be-
dingt durch die Lage der jeweiligen sociologischen Zustände und durch die politischen
Machtkonstellationen. Die Zukunft der biblischen Religion liegt daran, ob sie socio-
logische Gestalten behaupten kann.
Keine dieser Gestalten wird eine dauernde sein können. Denn eine umfassende,
bleibende Ordnung ist unmöglich. Auch für die Daseinsverwirklichungen auf Grund
der biblischen Religion gilt: Die Welt des Menschen ist nicht nach einem Princip rich-
tig und vollständig einzurichten. Jede Totaleinrichtung trägt, weil sie unwahr ist, den
Keim des Verderbens in sich. Wir leben in einem nicht übersehbaren, darum nicht
zweckhaft zu gestaltenden3 Ganzen, in dem wir als Einzelne, als Gruppen, als Völker,
als Staaten, ja als planetarisches Weltimperium je an dem gegebenen Ort partikulare
Verwirklichung bedeuten, scheiternde Endlichkeit eines Möglichen sind. Daraus folgt,
dass wir nicht ausserhalb des Ganzen stehen können; wir sind immer darin und das
Ganze ist als Ganzes für uns nicht da; was da ist, ist im Ganzen neben anderem Dasein.
So haben auch alle bestimmt ausgeprägten religiösen und philosophischen Positio-
nen ihren Ort, einen ihnen eigenen Ursprung, aber derart, dass niemand das Ganze
kennt, worin diese Orte liegen.
cc. Das Widersprechende und die Polaritäten:434 Die Bibel enthält nicht nur keine
Lehren im Ganzen, sondern in ihr kommen die schärfsten Gegensätze der Glaubens-
haltung selber zum Ausdruck. Einige Beispiele:
i) Vom Opfer der Patriarchen bis zum verwickelt konstruierten täglichen Opfer-
dienst am Tempel in Jerusalem und dem Abendmahl der Christen geht durch die Bi-
bel die Kultreligion. Darin ist immer wieder die Tendenz zur Einschränkung des Kul-
tus, so in der Abschaffung der »Höhen« (der vielen Kultstätten im Lande) zugunsten
des einen Kultus im einen Tempel zu Jerusalem, so dort die Verwandlung des boden-
ständig erlebten und lebendigen Kultus in ein amtlich vollzogenes abstraktes Ritual,
gestaltenden nach den Abschriften A. F. und Schott statt gestaltendem in der Abschrift Gertrud Jaspers