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Jaspers, Karl; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,1): Ausgewählte Verlags- und Übersetzerkorrespondenzen — Basel: Schwabe Verlag, 2018

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https://doi.org/10.11588/diglit.69893#0058
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Einleitung des Herausgebers

LVII

immer verteidigt hatte: Nachdem Gerd-Günther Grau den Schriftleiterposten über-
nommen und der Verlag ihm 1968 noch Gert Heinz Müller als Kollegen an die Seite
gegeben hatte, stellte das Studium Generale im Jahre 1971 sein Erscheinen ein.147
Eigentlich ist die »Thiel-Kontroverse« damit erzählt. Eigentlich - denn die Frage
bleibt, warum man trotz all der gravierenden Vorfälle so lange an Thiel festgehalten
hat. Es war Jaspers, der gegenüber dem Springer-Verlag immer wieder um Verständ-
nis warb und die längst fällige Trennung dauerhaft aufzuschieben vermochte. Dass
Thiels materielles Dasein von der Schriftleiterstelle abhing, spielte dabei sicher eine
Rolle, war aber kein Grund. Schon eher fielen seine Verdienste um das Studium Ge-
nerale ins Gewicht, die er zweifellos hatte: Es war eine Leistung, jedes Jahr zehn bis
zwölf Hefte zu bestimmten Themen mit Beiträgen aus den verschiedensten Wissen-
schaften herauszubringen. Doch das konnte nicht der einzige Grund sein, denn auch
für Jaspers gab es hier »eine Grenze, an der der Verlag lieber das Studium generale ge-
fährden oder eingehen lässt, als dass er diese masslosen Schwierigkeiten und Ärger-
lichkeiten immer von neuem duldet.«148 Sein Festhalten an Thiel war philosophisch
motiviert, und allein deshalb kann die an sich unerfreuliche »Thiel-Kontroverse« Ge-
genstand des Interesses sein.
Obwohl Jaspers über Jahre hinweg für Thiel eintrat, ergriff er keineswegs für ihn
Partei. Persönliche Motive lagen ihm fern, zumal ein Lehrer-Schüler-Verhältnis im
herkömmlichen Sinn nicht bestand. Zu keiner Zeit suchte er Thiels verbale Ausfälle
gegen Gadamer zu verharmlosen. Vielmehr bezeichnete er sie von Anfang an als »Ent-
gleisungen«, die »geistig nicht zu verteidigen« sind.149 Gleichzeitig wies er aber auch
darauf hin, dass Thiel in seinem Artikel »Was kann Philosophie heute leisten und was
darf man von ihr erwarten?« durchaus etwas Richtiges gesehen habe, das zu diskutie-
ren von der Sache her, unabhängig von einer bestimmten Person, nicht nur gerecht-
fertigt, sondern in der gegenwärtigen Situation geradezu geboten sei. Thiel »rührte
etwas auf, worüber man zu Unrecht schweigt. Der Grundfehler war, in persönlicher
Form anzuprangern, was als allgemeine Möglichkeit anzugreifen Sinn hat, derart,
dass ein jeder sich selber prüfen muss, ob und in welchem Umfang er unter die ent-
worfenen idealtypischen Möglichkeiten fällt.«150 Jaspers dachte dabei vor allem an
Thiels Behauptung, dass sich hinter dem Versuch, Philosophie gegen Wissenschaft
auszuspielen, der »Anspruch von Macht, Entscheidungsautorität, Einfluß und politi-
scher Zuständigkeit« verbarg; von einer Philosophie, die sich gegen die methodisch
gesicherten Erkenntnisse der Wissenschaft immunisiere, bleibe nur noch »etwas Phi-
147 Vgl. dazu W. Buchge (Hg.): Der Springer-Verlag. Katalog seiner Zeitschriften 1843-1992, Berlin, Hei-
delberg 1994, Nr. 555, 70.
148 K. Jaspers an H. Götze, 31. Oktober 1959, in diesem Band, S. 405.
149 K. Jaspers an H. Götze, 29. Juli 1954, ebd., 389.
150 Ebd.
 
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