Karl Jaspers - Deutsche Verlags-Anstalt
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die Stelle der willkürlichen und nach geistfremden Gesichtspunkten vollzogene [n]
Auslese der totalitären Regime tritt.
Vorläufig ist es die Kraft der Verlage oder der mäzenatischen Industrie, die trotz al-
lem solche Zeitschriften ermöglicht, welche an einen beschränkten Kreis literarisch
gebildeter Menschen sich richten. Ist dieser Kreis auch beschränkt, so ist er doch als
Träger einer Überlieferung sehr wichtig. Daher halte ich die Existenz des »Merkur« für
ausserordentlich wünschenswert, zumal er neben der »Neuen Rundschau« (nur vier-
teljährlich) und der »Deutschen Rundschau« wohl fast allein übrigbleibt.129
Auch der »Merkur« ist, wie selbstverständlich, nicht in jedem Hefte gleich gut.
Auch die Autoren sind heute immer schwerer zu gewinnen. Haben sie einen gewis-
sen Namen und leben sie, wie fast alle, finanziell in engen Verhältnissen, so liegt es
ihnen nahe, Publikationswege zu wählen, die ein höheres Honorar eintragen. Sind
sie unbekannt, so ist das Finden und Erkennen solcher Schriftsteller nicht leicht. Für
alle aber ist doch der »Merkur« das Organ, in dem eine Möglichkeit besteht, sich zu
äussern, gleichsam eine Beruhigung.
Mein Urteil halte ich für einigermassen objektiv. Denn was die Urteile der Heraus-
geber betrifft (etwa in den übersteigerten positiven Stellungen zu Gottfried Benn, E.
R. Curtius u.a.),I3° so stehe ich manchmal zu ihnen in einem tiefgehenden Gegensatz.
Auch was meine eigene Arbeit betrifft, sehe ich diese durch den »Merkur« in der Öf-
fentlichkeit wenig gefördert. Dass ich trotzdem auch diese Stellungnahmen nicht mis-
sen möchte, beruht auf der Wertschätzung des Ranges der Herausgeber. Ihre reine Be-
mühung um das Geistig-Literarische steht für mich ebenso äusser Zweifel wie ihre
hervorragende Qualifizierung für ihre Aufgaben.
Auf Grund dessen, was ich sehe, scheint mir es eine Ehre für den Verlag zu sein,
wenn es ihm gelingen könnte, diese Zeitschrift zu halten.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Ihr ergebener
K.J.
49 Gotthold Müller an Karl Jaspers
Typoskript; DLA, A: Jaspers, auf Briefpapier der Deutschen Verlags-Anstalt Stuttgart
17- II- 59
Sehr verehrter Herr Professor Jaspers!
Zunächst müssen wir Sie um Entschuldigung bitten, daß wir erst heute auf Ihren
freundlichen, in der Sorge um unseren MERKUR geschriebenen Brief vom 13. 8. zu-
rückkommen. Sie werden gewiß Verständnis dafür haben, daß wir Ihnen einen bün-
digen Bescheid geben wollten.
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die Stelle der willkürlichen und nach geistfremden Gesichtspunkten vollzogene [n]
Auslese der totalitären Regime tritt.
Vorläufig ist es die Kraft der Verlage oder der mäzenatischen Industrie, die trotz al-
lem solche Zeitschriften ermöglicht, welche an einen beschränkten Kreis literarisch
gebildeter Menschen sich richten. Ist dieser Kreis auch beschränkt, so ist er doch als
Träger einer Überlieferung sehr wichtig. Daher halte ich die Existenz des »Merkur« für
ausserordentlich wünschenswert, zumal er neben der »Neuen Rundschau« (nur vier-
teljährlich) und der »Deutschen Rundschau« wohl fast allein übrigbleibt.129
Auch der »Merkur« ist, wie selbstverständlich, nicht in jedem Hefte gleich gut.
Auch die Autoren sind heute immer schwerer zu gewinnen. Haben sie einen gewis-
sen Namen und leben sie, wie fast alle, finanziell in engen Verhältnissen, so liegt es
ihnen nahe, Publikationswege zu wählen, die ein höheres Honorar eintragen. Sind
sie unbekannt, so ist das Finden und Erkennen solcher Schriftsteller nicht leicht. Für
alle aber ist doch der »Merkur« das Organ, in dem eine Möglichkeit besteht, sich zu
äussern, gleichsam eine Beruhigung.
Mein Urteil halte ich für einigermassen objektiv. Denn was die Urteile der Heraus-
geber betrifft (etwa in den übersteigerten positiven Stellungen zu Gottfried Benn, E.
R. Curtius u.a.),I3° so stehe ich manchmal zu ihnen in einem tiefgehenden Gegensatz.
Auch was meine eigene Arbeit betrifft, sehe ich diese durch den »Merkur« in der Öf-
fentlichkeit wenig gefördert. Dass ich trotzdem auch diese Stellungnahmen nicht mis-
sen möchte, beruht auf der Wertschätzung des Ranges der Herausgeber. Ihre reine Be-
mühung um das Geistig-Literarische steht für mich ebenso äusser Zweifel wie ihre
hervorragende Qualifizierung für ihre Aufgaben.
Auf Grund dessen, was ich sehe, scheint mir es eine Ehre für den Verlag zu sein,
wenn es ihm gelingen könnte, diese Zeitschrift zu halten.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Ihr ergebener
K.J.
49 Gotthold Müller an Karl Jaspers
Typoskript; DLA, A: Jaspers, auf Briefpapier der Deutschen Verlags-Anstalt Stuttgart
17- II- 59
Sehr verehrter Herr Professor Jaspers!
Zunächst müssen wir Sie um Entschuldigung bitten, daß wir erst heute auf Ihren
freundlichen, in der Sorge um unseren MERKUR geschriebenen Brief vom 13. 8. zu-
rückkommen. Sie werden gewiß Verständnis dafür haben, daß wir Ihnen einen bün-
digen Bescheid geben wollten.