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Jaspers, Karl; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,1): Ausgewählte Verlags- und Übersetzerkorrespondenzen — Basel: Schwabe Verlag, 2018

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https://doi.org/10.11588/diglit.69893#0276
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Karl Jaspers - de Gruyter

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Mit vollem Bedacht!
Ich wollte erst abwarten, wie meine Verhandlungen mit dem Verlage Walter de
Gruyter gedeihen werden, Pläne, denen Sie so positiv zustimmten. Sie, hochverehr-
ter Herr Professor, sollten es sofort erfahren, wenn ein Abschluss zustandekam, und
mit meinem heutigen Schreiben kann ich Ihnen berichten, dass ich ab 15. Okt. d. Js.
die wissenschaftliche Leitung der geisteswissenschaftlichen Abteilungen übernom-
men und damit auch die Betreuung Ihrer bei de Gruyter erschienenen und noch zu
erscheinenden Bücher in die Hand bekommen habe.
In den 25 Jahren meiner verlegerischen Tätigkeit habe ich die mannigfachsten
Wege beschritten und beschreiten müssen, und Sie kennen ja die von mir verfassten
deutschen Verkehrsbücher ebenso wie Veröffentlichungen des Verlages J. Neumann,
Neudamm.315 Dem Aussenstehenden mag es nicht immer leicht fallen, diese disparaten
Bezirke auf einen Nenner zu bringen, aber ich habe diese Weite und Gegensätzlichkeit
bewusst gewählt. Dass es mir nun vergönnt ist, in dem grossen Rahmen, den der Ver-
lag de Gruyter bietet, den Geisteswissenschaften und vornehmlich der Philosophie
zu dienen, erfüllt mich mit Genugtuung (es war immer mein Ziel), und ich bin glück-
lich in dem Bewusstsein Ihrer persönlichen Zustimmung gerade für diese Aufgabe.
Die Aushängebogen Ihres »Descartes« habe ich bereits in der Abteilung GÖSCHEN,
die zu meinem Ressort gehört, liegen sehen und freue mich über die Neuauflage. Wie
gern würde ich ein neues Manuskript aus Ihrer Hand entgegennehmen! Nicht nur ver-
legerischen Ehrgeiz dürfen Sie hinter solchen Wünschen wittern, - das wäre nach al-
lem Vorangegangenen auch zu banal; meine Intentionen liegen auf einer höheren
Ebene. Ich will mitwirken, dass das, was Sie zu sagen haben, nicht in den leeren Raum
gesprochen wird oder »wie ein Stein lautlos im Sumpf versinkt«.316 Ihr Manuskript über
die »Gottesbeweise«,317 von dem Sie in Ihrem Brief sprechen, hat mich stark angerührt.
Was für ein Thema für die heutige Zeit, in der der Markt von pseudo-theologischen
Traktaten überschwemmt wird. Mit ganzer Kraft würde ich versuchen, dass ein sol-
ches Werk schnellstens herauskommt. Dann lässt mich Ihr Hinweis auf die Konzep-
tion einer Geschichte der Philosophie nicht los, den Sie in Ihrem Werk »Von der Wahr-
heit« gegeben haben.318 Wer jemals Ihre »Psychologie der Weltanschauungen« gelesen
hat, weiss, was von einer Geschichte der Philosophie aus Ihrer Schau zu erwarten ist,
besonders wenn man bedenkt, dass die allen Ansprüchen genügende Geschichte der
Philosophie immer noch Desiderat ist. Sie werden sie vollenden!319 Und wie würde ich
ein solches Werk begleiten und betreuen!
Und wenn ich an Ihren Nietzsche denke, der m.E. in der uferlosen Nietzsche-Lite-
ratur, hoch über allem, nicht nur die beste, sondern auch die taktvollste Würdigung
ist, so steigt in mir jedesmal als Pendant der Mann Kierkegaard auf, der zwar von Ih-
nen behandelt worden ist,320 aber nicht in dieser erschöpfenden Form. Oder liegt viel-
leicht schon ein Manuskript vor?
 
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