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Jaspers, Karl; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,1): Ausgewählte Verlags- und Übersetzerkorrespondenzen — Basel: Schwabe Verlag, 2018

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https://doi.org/10.11588/diglit.69893#0396
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Karl Jaspers - Springer 279
Soviel ich weiss, hat Häberlin einen guten wissenschaftlichen Namen. Ich möchte
aber meine Entscheidung von Ihrem sachverständigen Rate abhängig machen.
In der Hoffnung, dass diese Zeilen Sie bei bestem Befinden antreffen, bin ich
in vorzüglicher Hochachtung
und mit besten Empfehlungen
Ihr sehr ergebener
Ferdinand Springer
285 Karl Jaspers an Ferdinand Springer
Hs. Entwurf: DLA, A: Jaspers
Heidelberg, 15. 5.1917
Sehr verehrter Herr Springer!
Auf Ihre Anfrage vom 14. betr. das Buch Häberlins kann ich auf Grund der kurzen In-
haltsangabe natürlich kein zuverlässiges Urteil abgeben. Sie schreiben, ich sei sach-
verständig; das ist schon richtig, wie ich hoffe, aber ich bin grade darum auch vor-
eingenommen.
Über ein psychologisches Buch ist das Urteil besonders schwierig. Die Psychologie
ist gegenwärtig in ihren Fundamenten wackelig, sie ist nicht im Fluss, der sich ständig
erweitert, sondern in einer Krisis, die, bei dem riesigen äußerlichen Betriebe, auch bei
den älteren Psychologen, wie ich zu bemerken glaube, manchmal Gefühle des Schre-
ckens, Suchen nach neuen Fundamenten neben den vorhandenen bewirkt. In einer
solchen Phase einer Wissenschaft kann jeder Versuch fundamentierender Art mit ei-
nem Scheine des Rechts auftreten. Ein objektives Urteil, einen objektiven Massstab
gibt es nicht.
Häberlin kenne ich persönlich oberflächlich, habe mehrere Aufsätze von ihm gele-
sen und manchmal von ihm erzählen hören?627 (Er ist Freudianer; obgleich Philosoph,
beschäftigte er sich in Basel auch mit Freud’scher Psychotherapie und Pädagogik). Es
scheint mir eine philosophische Weltanschauung sowohl wie exakte wissenschaftli-
che Fachbildung zu fehlen.628 Dafür besitzt er eine erhebliche Belesenheit, ist, wie man
sagt, »gebildet«, schreibt nicht schlecht, ist aber nach meiner Überzeugung ganz un-
originell und ohne Intensität des Denkens. Ich würde - mit allem Vorbehalt, wie an-
fangs betont - ein Buch erwarten, das, elegant gruppiert, nichts Neues bringt, über
Vieles Vielerlei sagt, was aus dem Bildungsstoff stammt, aber unerheblich13 ist, da es
vermutlich keine Idee hat, keine »Notwendigkeit« besitzt.

a nach hören, gestr. Er scheint mir ein fleissiger, aber auf Eindruck bedachter Mensch,
b unerheblich Vdg. für langweilig
 
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