Karl Jaspers - Stalling (1932-1933)

446 Martin Venzky an Karl Jaspers
Typoskript; DLA, A: Jaspers, auf Briefpapier der Gerhard Stalling A.G.
Oldenburg i.O., den 26. April 32
Sehr geehrter Herr Professor!
Auf Grund eines Telephongespräches, das ich kürzlich mit Ihrem hochverehrten
Herrn Vater und mit Ihrem Herrn Schwager, Oberverwaltungsgerichtsrat Dugend,
hatte, darf ich annehmen, dass Ihnen mein Name nicht unbekannt ist.1009 Als gebür-
tiger Oldenburger wird Ihnen auch der Verlag Gerhard Stalling zumindest ein flüch-
tiger Bekannter sein.
Der Verlag Stalling trägt sich auf meine Initiative hin mit einem umfangreichen
Verlagsprojekt, das nach besonderer Seite hin auf die Jugend einwirken will. Nachdem
ich kürzlich Ihren tausendsten Band der Sammlung Göschen »Die geistige Situation
der Zeit« in einem Zuge abends zu Ende gelesen habe,1010 weil mich der geistvolle In-
halt und die sinnvolle Kritik und Deutung der heutigen Zustände, die Sie durch Ihr
Buch der Mitwelt vermitteln, innerlich ergriffen hat, bin ich zu der Meinung gekom-
men, dass Ihre Mitarbeit an dem neuen Verlagsprojekt von uns mit allen Kräften er-
strebt werden müsse.
Das neue Projekt ist zu umfangreich, um es Ihnen schriftlich vorzutragen. Ich
möchte gern mit Ihnen einmal mündlich darüber sprechen, falls Sie mir Ihre Zeit da-
für zur Verfügung stellen wollen. Die Angelegenheit ist nicht so eilig. Vielleicht ist es
Ihnen möglich, mich Ende Mai - Anfang Juni in Heidelberg zu empfangen. Ich bin zu
dieser Zeit auf einem achttägigen Erholungsurlaub in Badenweiler. Von dort aus ist ja
nur ein kurzer Sprung nach Heidelberg.1011
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir mitteilen wollten, ob Ihnen mein Besuch
recht ist.
Mit verbindlichen Empfehlungen
Ihr sehr ergebener
Dr. Venzky