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Jaspers, Karl; Piper, Klaus; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,2): Ausgewählte Korrespondenzen mit dem Piper Verlag und Klaus Piper 1942-1968 — Basel: Schwabe Verlag, 2020

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Einleitung des Herausgebers

LXIII

wurde,281 für dessen Entscheidung zugunsten des Piper Verlags gerade die Freiheit von
jeglicher Belastung durch eine nationalsozialistische Vergangenheit eine notwendige
Bedingung darstellte. Weder Jaspers noch Arendt wussten, mit wem sie es bei dem Ver-
lagsleiter eigentlich zu tun hatten.
Arendt debattiert mit Rössner ausgiebig über den Untertitel ihres Rahel-Varnha-
gen-Buches, das im Juni 1959 erscheint.282 Denn Rössner bezeichnet den ursprüng-
lich von der Autorin vorgesehenen Titel »Eine Lebensgeschichte aus dem Beginn der
Assimilation der deutschen Juden«283 als »etwas umständlich«284 und empfiehlt, eine
»lapidarere Form« zu wählen, nämlich: »Eine Lebensgeschichte mit einer Auswahl
von Rahel-Briefen«, damit die Biographie nicht dahingehend in eine »falsche Optik«
gerate, dass sie für eine breitere Leserschaft als zu speziell gelte.285 Tatsächlich aber
nimmt Rössner an dem in Arendts Untertitel vorkommenden Wort »Jude« Anstoß,
worauf sie hingegen besteht. Das Wort müsse dort erscheinen. Sonst sei es eine Irre-
führung des Lesers. Auch glaube sie nicht, dass dadurch der Kreis des Buches ungün-
stig verengt werde, da das Interesse in Deutschland an der Judenfrage augenblicklich
bei den besseren Leuten doch recht rege sei. »Also vielleicht: Eine Lebensgeschichte
aus dem deutschen Judentum, oder Eine Lebensgeschichte aus den Anfängen des
deutschen Judentums.«286 Nun schaltet sich Piper ein, doch überraschenderweise
schlägt er sich nicht auf die Seite seiner Autorin, sondern auf die seines Verlagslei-
ters: Er hält Arendts Untertitel für zu trocken und zu akademisch und schlägt statt-
dessen »Rahel Varnhagen - Eine Lebensgeschichte« vor.287 Erst mit der von seiner Frau
Elisabeth Piper erdachten Variante »Rahel Varnhagen. Lebensgeschichte einer deut-
schen Jüdin aus der Romantik« gelingt eine Lösung, der alle zustimmen.288 Arendt hat

281 Vgl. E. Ziegler: 100 Jahre Piper, 164-165.

282 Vgl. H. Arendt: Rahel Varnhagen. Lebensgeschichte einer deutschen Jüdin aus der Romantik, mit einer
Auswahl von Rahel-Briefen und zeitgenössischen Abhandlungen, München 1959. Zu den Debat-
ten vgl. M. Wildt: »Korrespondenz mit einem Unbekannten«, 251-253; E. Ziegler: 100 Jahre Piper,
191-197.

283 Vgl. H. Arendt: Materialien zum Buch »Rahel Varnhagen«, o.D., DLA, A: Piper.

284 H. Rössner an H. Arendt, 2. Dezember 1958, HAZ, Cont. 30.10.

285 H. Rössner an H. Arendt, 9. Januar 1959, HAZ, Cont. 30.11.

286 Vgl. H. Arendt an H. Rössner, 12. Januar 1959, DLA, A: Piper. Rössner unterstrich im Original die-
ses Briefes das Wort Jude und vermerkte am Rand: »Nein!?«.

287 K. Piper an H. Arendt, 6. Februar 1959, in: C. Christophersen: Hannah Arendt über Rahel Varnha-
gen, 260.

288 K. Piper an H. Arendt, 10. Februar 1959, ebd., 262. »Der Zusatz >... aus der Romantik« gibt
in erstaunlicher Weise den vollen Klang. Sachlich ist der Zusatz durchaus berechtigt, da ja
dem Leser das Unbedingte, Leidenschaftlich-Gesteigerte, Weiblich-Geöffnete als romantisches
Lebensgefühl durchgehend stark begegnet.« (Ebd.). Auch Arendt ist erleichtert. Denn sie war
gerade im Begriff, schweren Herzens mitzuteilen, »dass es mit dem Untertitel nicht so geht. Aber
so wie Sie ihn jetzt vorschlagen [...] - ist er wunderbar. Alles drin, was der Leser braucht. Auch der
 
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