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Jaspers, Karl; Piper, Klaus; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,2): Ausgewählte Korrespondenzen mit dem Piper Verlag und Klaus Piper 1942-1968 — Basel: Schwabe Verlag, 2020

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LXII

Einleitung des Herausgebers

Im Piper Verlag vermittelte der sachliche, besonnene Rössner unermüdlich »zwi-
schen einem temperamentvoll drängenden, oft ungeduldigen Chef und seinen Ange-
stellten und Autoren«.276 Die Mitarbeiter schätzen den neuen Verlagsleiter deswegen:
Er sei ein »fairer Vorgesetzter und ein verbindlicher, immer auf Ausgleich bedachter
Partner seines oft schwierigen Chefs.«277 Als auffällig galt hingegen allgemein »sein
prononcierter Philosemitismus.«278 Auf diese Weise entstand die kuriose Konstella-
tion, dass ein ehemaliger Antisemit und Kollege Adolf Eichmanns Hannah Arendts
Buch über den Eichmann-Prozess279 verlegerisch betreute280 und ein ehemaliger ideo-
logischer Funktionsträger des NS-Regimes Ansprechpartner für Piper-Autoren wie
Ingeborg Bachmann, Alexander und Margarete Mitscherlich und auch für Karl Jaspers

276 Vgl. R. Baumgart: Damals, 178. - So gelingt es Rössner, Alexander Mitscherlich, der darüber,
dass Jaspers ihn in einem Interview des Münchner Merkurs angegriffen hatte, so verärgert ist,
dass er seine Zusammenarbeit mit dem Piper Verlag kündigen will, zum Einlenken zu bewe-
gen (vgl. A. Eichholz: »Fragen an Karl Jaspers. Wie kommen Sie zu Ihrem Urteil, Herr Profes-
sor? Exklusiv-lnterview des »Münchner Merkur« mit dem deutschen Philosophen in Basel«,
in: Münchner Merkur, 16./17. Juni 1966, 17-19, wiederabgedruckt in: K. Jaspers: Provokationen,
177-196, hier: 185). Mitscherlich erklärt, obwohl gerade ein großes Buch von ihm in Vorberei-
tung ist, keine weiteren Arbeiten im Piper Verlag mehr zu veröffentlichen, da dieser eben »der
Hauptverlag von Karl Jaspers ist. [...] Es widerstrebt mir [...], im gleichen Haus verlegt zu wer-
den, in dem ein Mann wie Karl Jaspers verlegt wird, dem ich nach diesem Interview den letz-
ten Rest von bona voluntas aberkennen muss. [...] Ich kann nicht erwarten, dass Sie meinetwe-
gen einen Autor aufgeben, der zu den Bestsellern unseres Landes gehört. Aber Sie werden auf der
anderen Seite verstehen, dass ich einen Verlag aufgeben muss, der eben mit Jaspers sich iden-
tifiziert.« (A. Mitscherlich an K. Piper, 21. Juni 1966, DLA, A: Piper). Daraufhin muss Rössner -
anstelle des Verlagschefs - mit dem Ehepaar Mitscherlich ein sehr vertrauensvolles und offenes
Gespräch geführt haben, in dessen Verlauf man ein befristetes »Stillhalteabkommen« vereinba-
ren und die Bereitschaft erzielen konnte, »den Gesprächsfaden [...] in zwei bis drei Monaten [...]
wieder aufzunehmen«. Mit einem leichten Seitenhieb auf Jaspers ergänzt Rössner: »Nun bleibt
nur zu hoffen, daß der militante Gegner der Psychoanalyse sich nicht noch einmal zu öffent-
licher Äußerung hinreißen läßt.« (H. Rössner an A. Mitscherlich, 27. Juni 1966, Durchschlag,
ebd.). Auf diese Weise konnte Rössner ein Zerwürfnis mit Mitscherlich abwenden (vgl. A. Mit-
scherlich an K. Piper, 9. Februar 1967, ebd.). Piper war hierbei offenkundig der falsche Ansprech-
partner, schrieb er doch zeitgleich zu Mitscherlichs Brandbrief hinsichtlich jenes Interviews
an Jaspers: »Eben liegt das großartige Interview, das Sie Armin Eichholz für den Münchner
Merkur gaben, vor mir auf dem Tisch.« (K. Piper an K. Jaspers, 20. Juni 1966, in diesem Band,
s. 534).

277 R. Baumgart: Damals, 178.

278 E. Ziegler: 100 Jahre Piper, 166.

279 Vgl. H. Arendt: Eichmann in Jerusalem, München 1964.

280 Vgl. dazu M. Wildt: »Exkurs: Korrespondenz mit einem Unbekannten«, 254-259, E. Ziegler:
100 Jahre Piper, 197-202. - Zu Rössners Vergangenheit als NS-Funktionär vgl. auch M. Wildt:
Generation des Unbedingten, 386-390,797-813; E. Ziegler: 100 Jahre Piper, 163-168, sowie R. Klaus-
nitzer: »Philologen in der NS-Schrifttumspolitik und ihre Observationen der Gegenwartslitera-
tur 1933-1945«, in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 41 (2016), H. 2,
474-502, hier: 476 u. 483 (bes. Anm. 19).
 
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