Karl Jaspers - Piper Verlag (1965)
287 Klaus Piper an Karl Jaspers
Typoskript; DLA, A: Jaspers, aufBriefpapier des R. Piper & Co Verlags München
12. Januar 1965
Lieber Herr Professor!
Ich danke Ihnen herzlich für Ihre beiden Briefe vom 29. Dezember, die Sie mir liebens-
würdigerweise nach Hause schrieben, so daß sie mich rasch erreichten.
Daß Ihre Schrift über Hannah Arendt zu einem Buch wird, nahm ich schon an. Ich
bin fest davon überzeugt, daß das Buch auf ein außerordentlich starkes Interesse sto-
ßen wird, und zwar ziemlich unabhängig vom Zeitpunkt des Erscheinens, denn Ihr
Buch wird ja in die Situation einer allgemeinen Erwartung deshalb treffen, weil eben
die deutsche Kritik die Themen des EICHMANN-Buchs fast durchwegs nur oberfläch-
lich berührt hat. Sie sind schon länger, wie Sie schrieben, beim fortlaufenden Schrei-
ben. Den Abschluß der Arbeit können Sie im Augenblick gewiß zeitlich noch nicht
näher bestimmen. Trotzdem hoffe ich natürlich, daß Sie mir in einigen Wochen sa-
gen können, mit welchem Umfang und mit welchem Termin für das Fertigwerden Sie
etwa rechnen. Für unsere verlegerische Vorausdisposition werden Ihre Nachrichten
wie immer wertvoll sein.
Ich ließ Ihnen gestern das Manuskript der vollständigen Besprechung von Holt-
husen zugehen.1551 Sie äußerten sich über die Persönlichkeit von Holthusen. Ich
kenne ihn seit 25 Jahren. Er gehört meiner Meinung und meiner Erfahrung nach
nicht zu den labilen Intellektuellen, die sich »umstellen« lassen. Wahrscheinlich
hörten auch Sie von seiner politischen »Jugendsünde«.1552 Sie hat ihm viele Anfein-
dungen nachgezogen, besonders auch, als er die Leitung des Goethe-Hauses in
New York übernahm. Da ich hörte, daß vor allem Hermann Kesten die politische
Stimmungsmache gegen Holthusen betrieb,1553 bat ich Kesten in Rom einmal zu
einem offenen Gespräch. Ich erklärte dabei, daß man unterscheiden müsse zwi-
schen dem politischen Fehltritt eines jungen Menschen und dem opportunistischen
Vorgehen solcher Leute (Publizisten, Redakteure), die zwar vorsichtigerweise nicht
der Partei beitraten, in Wort und Schrift sich aber der Nazi-Sache dienstbar mach-
ten. Von Holthusen kenne ich keinen Satz einer Nazi-Opportunität; er schrieb z.B.
am Anfang des Krieges einen Aufsatz für die »Neue Rundschau« über »Die Armut
des Soldaten«, dessen Abdruck verboten war. Er war während des Krieges, wenn er
287 Klaus Piper an Karl Jaspers
Typoskript; DLA, A: Jaspers, aufBriefpapier des R. Piper & Co Verlags München
12. Januar 1965
Lieber Herr Professor!
Ich danke Ihnen herzlich für Ihre beiden Briefe vom 29. Dezember, die Sie mir liebens-
würdigerweise nach Hause schrieben, so daß sie mich rasch erreichten.
Daß Ihre Schrift über Hannah Arendt zu einem Buch wird, nahm ich schon an. Ich
bin fest davon überzeugt, daß das Buch auf ein außerordentlich starkes Interesse sto-
ßen wird, und zwar ziemlich unabhängig vom Zeitpunkt des Erscheinens, denn Ihr
Buch wird ja in die Situation einer allgemeinen Erwartung deshalb treffen, weil eben
die deutsche Kritik die Themen des EICHMANN-Buchs fast durchwegs nur oberfläch-
lich berührt hat. Sie sind schon länger, wie Sie schrieben, beim fortlaufenden Schrei-
ben. Den Abschluß der Arbeit können Sie im Augenblick gewiß zeitlich noch nicht
näher bestimmen. Trotzdem hoffe ich natürlich, daß Sie mir in einigen Wochen sa-
gen können, mit welchem Umfang und mit welchem Termin für das Fertigwerden Sie
etwa rechnen. Für unsere verlegerische Vorausdisposition werden Ihre Nachrichten
wie immer wertvoll sein.
Ich ließ Ihnen gestern das Manuskript der vollständigen Besprechung von Holt-
husen zugehen.1551 Sie äußerten sich über die Persönlichkeit von Holthusen. Ich
kenne ihn seit 25 Jahren. Er gehört meiner Meinung und meiner Erfahrung nach
nicht zu den labilen Intellektuellen, die sich »umstellen« lassen. Wahrscheinlich
hörten auch Sie von seiner politischen »Jugendsünde«.1552 Sie hat ihm viele Anfein-
dungen nachgezogen, besonders auch, als er die Leitung des Goethe-Hauses in
New York übernahm. Da ich hörte, daß vor allem Hermann Kesten die politische
Stimmungsmache gegen Holthusen betrieb,1553 bat ich Kesten in Rom einmal zu
einem offenen Gespräch. Ich erklärte dabei, daß man unterscheiden müsse zwi-
schen dem politischen Fehltritt eines jungen Menschen und dem opportunistischen
Vorgehen solcher Leute (Publizisten, Redakteure), die zwar vorsichtigerweise nicht
der Partei beitraten, in Wort und Schrift sich aber der Nazi-Sache dienstbar mach-
ten. Von Holthusen kenne ich keinen Satz einer Nazi-Opportunität; er schrieb z.B.
am Anfang des Krieges einen Aufsatz für die »Neue Rundschau« über »Die Armut
des Soldaten«, dessen Abdruck verboten war. Er war während des Krieges, wenn er