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Karljaspers - Piper Verlag (1964)
Die Besprechung von Holthusen im Sonntagsblatt wurde mir seiner Zeit von Ihrem
Verlag geschickt. Sie hat mich lebhaft interessiert. Die Kritik ist eine der wenigen ernst
zu nehmenden. Mit der Lektüre Holthusen's geht es mir auch sonst merkwürdig: auf
Seiten hin lese ich, als ob ich in völliger Gesinnungsgemeinschaft mit ihm denke, und
dann fällt er mir ganz aus der Hand, fast unbegreiflich. Er scheint mir eine Intelligenz
und eine ungemeine literarische Sensibilität ohne Boden [zu haben]. Daher wird er so
schillernd und unberechenbar. Ich habe schon lange das »Vertrauen« zu ihm verlo-
ren. Er scheint alles zu spüren. Urteilskraft steht bei ihm neben Blindheit. Sein Weg ist
mir unklar. Er muss ein unglücklicher Mensch sein. Es scheint, dass er sich »umstel-
len« kann. Aber aus all diesen Gründen habe ich ein Interesse für seine Kritik an Han-
nah Arendt. Da er sein Einverständnis gegeben hat, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie
mir das ganze Manuskript schicken würden.
Sie meinen, Sie hätten in diesem Jahr kein neues Buch von mir gebracht. Doch:
den Cusanus. Solche Arbeiten, obgleich für mich das Fundament, interessieren wohl
nicht breitere Kreise. Aber ich denke, dass ich auch für solche Bücher meine Leser-
schaft habe.
Es ist mir eine grosse Freude, dass Sie meinen frühen Büchern durch Aufteilung
und Auswahl neue Leser verschaffen. Erstaunlich, wie Ihnen das gelingt! Ein kleiner
Oldenburger Buchhändler schrieb mir eben, dass er von den »Massgebenden Men-
schen« 45 Exemplare verkauft habe.1550 Titel und Inhalt erwecken offenbar das Inter-
esse Vieler. Daran denkt man als Autor vorher nicht. Ich bin überrascht.
Sobald ich das Buch über Hannah Arendt fertig habe, gehe ich an die grossen Phi-
losophen. Ich sehne mich danach.
Auf Ihren Besuch freue ich mich. Dann höre ich näheres von dem neuen Plan.
Nochmals unser beider herzliche Glückwünsche für das neue Jahr
Ihr Karl Jaspers
Karljaspers - Piper Verlag (1964)
Die Besprechung von Holthusen im Sonntagsblatt wurde mir seiner Zeit von Ihrem
Verlag geschickt. Sie hat mich lebhaft interessiert. Die Kritik ist eine der wenigen ernst
zu nehmenden. Mit der Lektüre Holthusen's geht es mir auch sonst merkwürdig: auf
Seiten hin lese ich, als ob ich in völliger Gesinnungsgemeinschaft mit ihm denke, und
dann fällt er mir ganz aus der Hand, fast unbegreiflich. Er scheint mir eine Intelligenz
und eine ungemeine literarische Sensibilität ohne Boden [zu haben]. Daher wird er so
schillernd und unberechenbar. Ich habe schon lange das »Vertrauen« zu ihm verlo-
ren. Er scheint alles zu spüren. Urteilskraft steht bei ihm neben Blindheit. Sein Weg ist
mir unklar. Er muss ein unglücklicher Mensch sein. Es scheint, dass er sich »umstel-
len« kann. Aber aus all diesen Gründen habe ich ein Interesse für seine Kritik an Han-
nah Arendt. Da er sein Einverständnis gegeben hat, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie
mir das ganze Manuskript schicken würden.
Sie meinen, Sie hätten in diesem Jahr kein neues Buch von mir gebracht. Doch:
den Cusanus. Solche Arbeiten, obgleich für mich das Fundament, interessieren wohl
nicht breitere Kreise. Aber ich denke, dass ich auch für solche Bücher meine Leser-
schaft habe.
Es ist mir eine grosse Freude, dass Sie meinen frühen Büchern durch Aufteilung
und Auswahl neue Leser verschaffen. Erstaunlich, wie Ihnen das gelingt! Ein kleiner
Oldenburger Buchhändler schrieb mir eben, dass er von den »Massgebenden Men-
schen« 45 Exemplare verkauft habe.1550 Titel und Inhalt erwecken offenbar das Inter-
esse Vieler. Daran denkt man als Autor vorher nicht. Ich bin überrascht.
Sobald ich das Buch über Hannah Arendt fertig habe, gehe ich an die grossen Phi-
losophen. Ich sehne mich danach.
Auf Ihren Besuch freue ich mich. Dann höre ich näheres von dem neuen Plan.
Nochmals unser beider herzliche Glückwünsche für das neue Jahr
Ihr Karl Jaspers