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Jaspers, Karl; Piper, Klaus; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,2): Ausgewählte Korrespondenzen mit dem Piper Verlag und Klaus Piper 1942-1968 — Basel: Schwabe Verlag, 2020

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Einleitung des Herausgebers

3.2 Ausblick: Was wusste Jaspers - oder was hätte er wissen können?
Weder Klaus Piper noch Hans Rössner hatten ein Interesse daran, dass Jaspers von
den verlagsinternen Spannungen etwas mitbekommt. In ihrem Briefwechsel mit
ihm ist davon selbstverständlich nirgends die Rede. Nur einmal, in einer verlagsin-
ternen Notiz vom 15. Februar 1967, fällt Rössner aus seiner Rolle und vermerkt zu den
Druckfahnen von Jaspers' 1966/67 verfasster Antwortschrift kritische, gar polemische
Kommentare. Der sonst in seiner Haltung stets angepasste und zuvorkommende Ver-
lagsleiter gibt hier sein wahres Gesicht zu erkennen, indem er schwerwiegende wissen-
schaftliche, sachliche und politische Einwände erhebt: Die Schrift sei zu wenig durch-
gearbeitet, enthalte ungeheure »Simplifizierungen« und die darin liegende Gefahr,
daß sie »Beifall von allen möglichen falschen Seiten bekommt.« Seine Sorge sei, »daß
die ANTWORT im Grunde in der Breite der Leserschaft wieder nur kurzschlüssige
Urteile und Ressentiments bestätigt und provoziert, nicht aber ein wirklich kritisches
Mitdenken auslöst.«317 Piper versieht dieses Schriftstück anschließend mit eigenen,
teilweise wiederum kritischen Randnotizen (»falsch und gefährlich«)318 und übermit-
telt Jaspers in einer abgemilderten und verkürzten Version die Bemerkungen,319 deren
Urheber diesem unbekannt blieb.
Allerdings erhielt Jaspers Signale, die ihn hätten stutzig machen können, so von
Hannah Arendt. Sie ahnte wohl etwas und war in ihren Vermutungen nahe an der
Wahrheit. Bei dem Erscheinen ihres Eichmann-Buches kam es zu Verzögerungen, da
der Verlag ein anwaltliches Memorandum einholte zur Prüfung etwaiger Verletzun-
gen von Persönlichkeitsrechten früherer NS-Größen. Über dieses Verhalten des Ver-
lags ist die Autorin verärgert und schreibt im Juli 1964 an Jaspers: »Seitenlange Beden-
ken, abgeurteilte Naziverbrecher (vom Eichmann-Kommando), die in deutschen
Gefängnissen sitzen, könnten sich in ihrer >Ehre< beleidigt fühlen. Absolut phanta-
stisch und ganz unverwechselbar ein Dokument von Nazi-Sympathisierenden - was
aber dort niemandem aufgefallen ist! Ich habe fast den Verdacht, daß er [Piper] da sol-
che Leute im eigenen Verlag drin hat, natürlich ohne es zu wissen.«320 Für Edda Zieg-
ler ist klar: »Der hier angesprochene Generalverdacht verweist - ohne daß Arendt dies
bewußt gewesen sein dürfte - direkt auf Rössner.«321
Auf diesen Brief antwortete Jaspers vielsagend, aber wenig konkret. Fast sieht es so
aus, als wollte er beschwichtigen: »Deine Meinung über Piper ist gewiß richtig. Wir
wissen es ja längst. Und doch ist er immer noch der angenehmste Verleger, wenn man
nicht mit Rowohlt oder Witsch oder Fischer arbeiten will. Vor einer Woche war er bei

317 H. Rössner: Stellungnahme zu jaspers' Antwort, 15. Februar 1967, in diesem Band, S. 571.

318 Ebd., 569.

319 Vgl. K. Piper an K. Jaspers, 15. Februar 1967, ebd., 572-578.

320 H. Arendt an K. Jaspers, 23. Juli 1964, in: dies.: Briefwechsel 1926-1969, 594.

321 E. Ziegler: 100 Jahre Piper, 201.
 
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