Einleitung des Herausgebers
LXIX
Der Name Schlösser war dem Piper Verlag übrigens nicht unbekannt: Der Journa-
list Dr. phil. Rainer Schlösser (1899-1945) war der Sohn des Jenaer Universitätspro-
fessors für Neuere Deutsche Literaturgeschichte und späteren Direktors des Weima-
rer Goethe- und Schiller-Archivs, Rudolf Schlösser (1867-1920), der auch Piper-Autor
war.315 Rainer Schlösser wurde nach seiner Promotion, die im Mai 1931 an der Jenaer
Universität im Fach Literaturwissenschaft bei Albert Leitzmann erfolgte, im Okto-
ber 1931 Theaterkritiker beim Völkischen Beobachter und amtierte ab August 1933 als
Reichsdramaturg. 1935 leitete Schlösser die Theaterabteilung im Propagandaministe-
rium und war Präsident der Reichstheaterkammer (bis 1938), 1939 wurde er als Oberge-
bietsführer der Hitler-Jugend Leiter des Kulturamtes der Reichsjugendführung, bis er
1942 schließlich zum Ministerialdirigenten im Propagandaministerium aufstieg und
dort für die Abteilung »Schrifttum« zuständig war.316 Diese Verbindung dürfte es Piper
erheblich erleichtert haben, eine weitere Anthologie durchzusetzen, obwohl sie ihm
zuvor zweimal von der Reichsschrifttumskammer abgelehnt wurde.
Nimmt man all das zusammen, zählte Piper in einem besonderen Maße zu jener
oben erwähnten Gruppe von Verlagen, die sich guter Kontakte zu den NS-Behörden
rühmen konnten. Es bedurfte also keines ausgeprägten Mutes, als Klaus Piper im Mai
1942 bei Jaspers um Publikationen anfragte. Dessen völlig neu bearbeitete und erheb-
lich erweiterte Allgemeine Psychopathologie, für die Springer im Sommer 1942 keine
Papierbewilligung erhielt, hätte im Falle eines Antrags durch Piper durchaus Chancen
gehabt, gedruckt und veröffentlicht zu werden. Dasselbe gilt für die 1938 abgefasste
Schrift Nietzsche und das Christentum, deren Druck sich de Gruyter ohne Kontaktauf-
nahme mit der Parteiamtlichen Prüfungskommission damals nicht hatte vorstellen
können. Auch der Plan des Verlags Koehler & Amelang, diesen Text 1943 zu veröffent-
lichen, scheiterte ja. Ein Versuch bei Piper wäre es wert gewesen, so lässt sich - freilich
erst aus heutiger Sicht angesichts der erhaltenen Dokumente des Piper Verlags bzw.
der NS-Behörden - mutmaßen. Der Verlag verfügte über so gute Kontakte, dass Jaspers
mit seiner Einschätzung, man denke dort schon an die Zeit nach dem Krieg, falsch lag.
Piper hatte kein Problem, mit Nationalsozialisten zusammenzuarbeiten, und das galt
wohl auch noch Jahrzehnte später für die Zusammenarbeit mit ehemaligen NS-Funk-
tionären wie Hans Rössner.
315 Vgl. z.B. R. Schlösser an R. Piper, 26. März 1917, DLA, A: Piper.
316 Vgl. E. Klee: Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, überarbeitete Aus-
gabe, Frankfurt/M.2009, 476. Zu Rainer Schlösser vgl. auch R. Klausnitzer: »>Wir rücken die Bur-
gen unseres Glaubens auf die Höhen des Kaukasus«. Reichsdramaturg Rainer Schlösser zwischen
Jena-Weimar und Führerbunker«, in: Zeitschrift für Germanistik 9 (1999) 294-317.
LXIX
Der Name Schlösser war dem Piper Verlag übrigens nicht unbekannt: Der Journa-
list Dr. phil. Rainer Schlösser (1899-1945) war der Sohn des Jenaer Universitätspro-
fessors für Neuere Deutsche Literaturgeschichte und späteren Direktors des Weima-
rer Goethe- und Schiller-Archivs, Rudolf Schlösser (1867-1920), der auch Piper-Autor
war.315 Rainer Schlösser wurde nach seiner Promotion, die im Mai 1931 an der Jenaer
Universität im Fach Literaturwissenschaft bei Albert Leitzmann erfolgte, im Okto-
ber 1931 Theaterkritiker beim Völkischen Beobachter und amtierte ab August 1933 als
Reichsdramaturg. 1935 leitete Schlösser die Theaterabteilung im Propagandaministe-
rium und war Präsident der Reichstheaterkammer (bis 1938), 1939 wurde er als Oberge-
bietsführer der Hitler-Jugend Leiter des Kulturamtes der Reichsjugendführung, bis er
1942 schließlich zum Ministerialdirigenten im Propagandaministerium aufstieg und
dort für die Abteilung »Schrifttum« zuständig war.316 Diese Verbindung dürfte es Piper
erheblich erleichtert haben, eine weitere Anthologie durchzusetzen, obwohl sie ihm
zuvor zweimal von der Reichsschrifttumskammer abgelehnt wurde.
Nimmt man all das zusammen, zählte Piper in einem besonderen Maße zu jener
oben erwähnten Gruppe von Verlagen, die sich guter Kontakte zu den NS-Behörden
rühmen konnten. Es bedurfte also keines ausgeprägten Mutes, als Klaus Piper im Mai
1942 bei Jaspers um Publikationen anfragte. Dessen völlig neu bearbeitete und erheb-
lich erweiterte Allgemeine Psychopathologie, für die Springer im Sommer 1942 keine
Papierbewilligung erhielt, hätte im Falle eines Antrags durch Piper durchaus Chancen
gehabt, gedruckt und veröffentlicht zu werden. Dasselbe gilt für die 1938 abgefasste
Schrift Nietzsche und das Christentum, deren Druck sich de Gruyter ohne Kontaktauf-
nahme mit der Parteiamtlichen Prüfungskommission damals nicht hatte vorstellen
können. Auch der Plan des Verlags Koehler & Amelang, diesen Text 1943 zu veröffent-
lichen, scheiterte ja. Ein Versuch bei Piper wäre es wert gewesen, so lässt sich - freilich
erst aus heutiger Sicht angesichts der erhaltenen Dokumente des Piper Verlags bzw.
der NS-Behörden - mutmaßen. Der Verlag verfügte über so gute Kontakte, dass Jaspers
mit seiner Einschätzung, man denke dort schon an die Zeit nach dem Krieg, falsch lag.
Piper hatte kein Problem, mit Nationalsozialisten zusammenzuarbeiten, und das galt
wohl auch noch Jahrzehnte später für die Zusammenarbeit mit ehemaligen NS-Funk-
tionären wie Hans Rössner.
315 Vgl. z.B. R. Schlösser an R. Piper, 26. März 1917, DLA, A: Piper.
316 Vgl. E. Klee: Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, überarbeitete Aus-
gabe, Frankfurt/M.2009, 476. Zu Rainer Schlösser vgl. auch R. Klausnitzer: »>Wir rücken die Bur-
gen unseres Glaubens auf die Höhen des Kaukasus«. Reichsdramaturg Rainer Schlösser zwischen
Jena-Weimar und Führerbunker«, in: Zeitschrift für Germanistik 9 (1999) 294-317.