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Karl Jaspers - Piper Verlag (1949)
geschehene grauenhafte Verwirklichungen, die symbolisch, d.h. stellvertretend sind
für die äussersten Möglichkeiten, die allen Menschen in der Zukunft begegnen kön-
nen.254 Mit meinem Vater wäre ich Ihnen, verehrter Herr Professor, dankbar, wenn Sie
auf diesen Seiten nicht nur von den »deutschen Konzentrationslagern« (S. 179) und
vom »terroristischen Deutschland« (S. 180) sprechen würden. Sie wissen, dass wir
nicht zu den Menschen gehören, die, wie leider so viele Deutsche, die Augen von dem
Furchtbaren, was in den vergangenen Jahren geschehen ist, abwenden und es ableh-
nen, diese Dinge in ihr Bewusstsein aufzunehmen. Wir bejahen es mit Ihnen, dass
Deutschland eine Zukunft nicht gewinnen kann, wenn nicht breite Schichten eine
Revision des allgemeinen Denkens vollziehen. Eine Zukunft kann Deutschland aber
auch nur dann gewinnen, wenn ihm diese von den Siegern sozusagen erlaubt wird.
Faktisch ist die gegenwärtige äussere und innere Situation Deutschlands derart unge-
sichert, für Millionen Deutsche ist das Leben so schwer, für so viele nahezu unerträg-
lich, auch ist seit dem Zusammenbruch so viel neues Unrecht geschehen, dass doch
jede Feststellung der in Deutschland verübten Greuel durch einen Deutschen völlig
unangreifbar sein sollte.
Wir sind der Ansicht, dass man von deutschen Konzentrationslagern, wie von
deutschen Fabriken oder deutschen Kunstwerken nicht sprechen kann. Diese Lager
sind von fanatischen Nationalsozialisten eingerichtet und geführt worden. Die Mehr-
heit des deutschen Volkes hat sich, soweit sie von den Lagern überhaupt wusste, - ich
bin davon im tiefsten überzeugt - zu diesen innerlich niemals bekannt.
Wichtig scheint mir ferner das Folgende zu sein: Der moderne Typ des Konzen-
trationslagers ist meines Wissens zum ersten Mal von den Engländern im Burenkrieg
geschaffen worden.255 Eine der Mächte, die Deutschland besiegt haben und über die
Verbrechen dera Nationalsozialisten in Nürnberg zu Gericht gesessen sind, Sowjet-
russland, hat das System der Konzentrationslager und auch der Menschenvernich-
tung aus politischen und ideologischen Gründen ebenfalls im grössten Umfang
durchgeführt und tut es noch. Wenn die Pressemeldungen stimmen, sind in den bis
heute noch bestehenden neuen Konzentrationslagern in der Ostzone Deutschlands
bereits viele Tausende umgekommen. Die von den Westmächten zumindest still-
schweigend gebilligte Vertreibung von Millionen von Deutschen aus den Ostgebie-
ten hat infolge der Formen, unter denen sich die Vertreibung vollzog, Unzähligen das
Leben gekostet. Auch dies war alles Terror.256
Mir persönlich ist ein Satz von Theodor Haecker zu meinem Leitspruch geworden:
»Die Wahrheit darf nichts auslassen«.257 Ich weiss nicht, ob Sie, Herr Professor, einen
Hinweis auf die sowjetrussischen Greueltaten einfügen wollen. Wenn Sie es vorzie-
hen, es nicht zu tun, so möchte ich mir den Vorschlag erlauben, die Konzentrationsla-
a statt der im Typoskript des
Karl Jaspers - Piper Verlag (1949)
geschehene grauenhafte Verwirklichungen, die symbolisch, d.h. stellvertretend sind
für die äussersten Möglichkeiten, die allen Menschen in der Zukunft begegnen kön-
nen.254 Mit meinem Vater wäre ich Ihnen, verehrter Herr Professor, dankbar, wenn Sie
auf diesen Seiten nicht nur von den »deutschen Konzentrationslagern« (S. 179) und
vom »terroristischen Deutschland« (S. 180) sprechen würden. Sie wissen, dass wir
nicht zu den Menschen gehören, die, wie leider so viele Deutsche, die Augen von dem
Furchtbaren, was in den vergangenen Jahren geschehen ist, abwenden und es ableh-
nen, diese Dinge in ihr Bewusstsein aufzunehmen. Wir bejahen es mit Ihnen, dass
Deutschland eine Zukunft nicht gewinnen kann, wenn nicht breite Schichten eine
Revision des allgemeinen Denkens vollziehen. Eine Zukunft kann Deutschland aber
auch nur dann gewinnen, wenn ihm diese von den Siegern sozusagen erlaubt wird.
Faktisch ist die gegenwärtige äussere und innere Situation Deutschlands derart unge-
sichert, für Millionen Deutsche ist das Leben so schwer, für so viele nahezu unerträg-
lich, auch ist seit dem Zusammenbruch so viel neues Unrecht geschehen, dass doch
jede Feststellung der in Deutschland verübten Greuel durch einen Deutschen völlig
unangreifbar sein sollte.
Wir sind der Ansicht, dass man von deutschen Konzentrationslagern, wie von
deutschen Fabriken oder deutschen Kunstwerken nicht sprechen kann. Diese Lager
sind von fanatischen Nationalsozialisten eingerichtet und geführt worden. Die Mehr-
heit des deutschen Volkes hat sich, soweit sie von den Lagern überhaupt wusste, - ich
bin davon im tiefsten überzeugt - zu diesen innerlich niemals bekannt.
Wichtig scheint mir ferner das Folgende zu sein: Der moderne Typ des Konzen-
trationslagers ist meines Wissens zum ersten Mal von den Engländern im Burenkrieg
geschaffen worden.255 Eine der Mächte, die Deutschland besiegt haben und über die
Verbrechen dera Nationalsozialisten in Nürnberg zu Gericht gesessen sind, Sowjet-
russland, hat das System der Konzentrationslager und auch der Menschenvernich-
tung aus politischen und ideologischen Gründen ebenfalls im grössten Umfang
durchgeführt und tut es noch. Wenn die Pressemeldungen stimmen, sind in den bis
heute noch bestehenden neuen Konzentrationslagern in der Ostzone Deutschlands
bereits viele Tausende umgekommen. Die von den Westmächten zumindest still-
schweigend gebilligte Vertreibung von Millionen von Deutschen aus den Ostgebie-
ten hat infolge der Formen, unter denen sich die Vertreibung vollzog, Unzähligen das
Leben gekostet. Auch dies war alles Terror.256
Mir persönlich ist ein Satz von Theodor Haecker zu meinem Leitspruch geworden:
»Die Wahrheit darf nichts auslassen«.257 Ich weiss nicht, ob Sie, Herr Professor, einen
Hinweis auf die sowjetrussischen Greueltaten einfügen wollen. Wenn Sie es vorzie-
hen, es nicht zu tun, so möchte ich mir den Vorschlag erlauben, die Konzentrationsla-
a statt der im Typoskript des