Einleitung
τ7
Vor dem Hintergrund der weiterhin bestehenden Forschungskontroversen wurde
auf der ersten Tübinger Malalas-Tagung versucht, Erkenntnisfortschritte in den skiz-
zierten Themenkomplexen zu erreichen. Die folgenden Ausführungen präsentieren
die Ergebnisse dieser ersten Zusammenkunft.
3. Neue Perspektiven
Das erste Kapitel „Malalas - Person, Werk und Umfeld“ eröffnet Johann Martin Thesz
(Tübingen/Berlin) mit einem Beitrag zu Malalas’ Bildungshintergrund, der in der
Forschung unterschiedlich bewertet wird. Auf Grundlage linguistischer und inter-
textueller Beobachtungen schließt Thesz, dass Malalas keine klassische, sondern eine
christliche Bildung genossen haben müsse. Volker Drecoll (Tübingen) widmet sich
der seit langem diskutierten Frage, ob sich bei Malalas miaphysitische Tendenzen
nachweisen ließen (s.o.), und verneint diese nach eingehender Prüfung der einschlä-
gigen Passagen entschieden. Catherine Saliou (Paris) untersucht die Stellung von
Antiocheia, Malalas’ Heimatstadt, innerhalb der Chronik auf der Sachebene und nar-
ratologisch. Ihren Ergebnissen zufolge stellt die Chronik nicht nur eine fundamentale
Quelle für die Kenntnis des Stadtbilds zwischen 474 und 526 dar, sondern auch für
die spätantike Lokalgeschichtsschreibung. Der Beitrag Philippe Blaudeaus (Angers)
befasst sich mit der Frage, wie sich die Darstellung Justinians in der Fortsetzung, die
die frühen 530er Jahre bis zum Tod des Kaisers behandelt (ab den 70er-Kapiteln des
18. Buches), zu derjenigen der ersten Edition verhält. Durch eine Analyse der Haupt-
und Parallelüberlieferung kann er zeigen, dass das Herrscherbild konsistent blieb, ob-
wohl die zweite Edition nach Justinians Tod veröffentlicht wurde.
Das zweite Kapitel „Die Gattung der Chronik? wird von Richard Burgess (Ottawa)
und Michael Kulikowski (Penn State) eröffnet, deren Beitrag die häufig diskutierte
Frage aufgreift, wie das Werk des Malalas eingeordnet werden kann. Anders als bei
zahlreichen anderen historiographischen Texten kann über den Titel nur bedingt
auf den Inhalt rückgeschlossen werden, da er nicht eindeutig bestimmbar ist: In den
griechischen Manuskripten erscheinen enkyklion, ekloge und ekthesis. Andere Autoren
sprechen hingegen von chronographia (Johannes von Damaskus) und von historia
(Konstantinische Exzerpte). Kulikowskis und Burgess’ Gattungsdefinition zufolge,
die auf der Untersuchung des zeitgenössischen Sprachgebrauchs und einem Vergleich
mit zahlreichen anderen Werken basiert, ist Malalas’ Schrift keine Chronik, die durch
ein strenges zeitliches Raster geprägt ist, sondern eine Art breviarium, eine kleine
Weltgeschichte. Diese These ist auf der Tagung kontrovers diskutiert worden, da die
vorgeschlagene Definition von der gängigen Klassifizierung des Werkes des Mala-
las abweicht. Komplementär zu diesem Zugriff auf der Makroebene verhält sich der
folgende Beitrag von Anne-Marie Bernardi und Emmanuele Caire, in dem die Gat-
tungsfrage eng am Text erörtert wird. Durch die Untersuchung von Malalas’Arbeite-
τ7
Vor dem Hintergrund der weiterhin bestehenden Forschungskontroversen wurde
auf der ersten Tübinger Malalas-Tagung versucht, Erkenntnisfortschritte in den skiz-
zierten Themenkomplexen zu erreichen. Die folgenden Ausführungen präsentieren
die Ergebnisse dieser ersten Zusammenkunft.
3. Neue Perspektiven
Das erste Kapitel „Malalas - Person, Werk und Umfeld“ eröffnet Johann Martin Thesz
(Tübingen/Berlin) mit einem Beitrag zu Malalas’ Bildungshintergrund, der in der
Forschung unterschiedlich bewertet wird. Auf Grundlage linguistischer und inter-
textueller Beobachtungen schließt Thesz, dass Malalas keine klassische, sondern eine
christliche Bildung genossen haben müsse. Volker Drecoll (Tübingen) widmet sich
der seit langem diskutierten Frage, ob sich bei Malalas miaphysitische Tendenzen
nachweisen ließen (s.o.), und verneint diese nach eingehender Prüfung der einschlä-
gigen Passagen entschieden. Catherine Saliou (Paris) untersucht die Stellung von
Antiocheia, Malalas’ Heimatstadt, innerhalb der Chronik auf der Sachebene und nar-
ratologisch. Ihren Ergebnissen zufolge stellt die Chronik nicht nur eine fundamentale
Quelle für die Kenntnis des Stadtbilds zwischen 474 und 526 dar, sondern auch für
die spätantike Lokalgeschichtsschreibung. Der Beitrag Philippe Blaudeaus (Angers)
befasst sich mit der Frage, wie sich die Darstellung Justinians in der Fortsetzung, die
die frühen 530er Jahre bis zum Tod des Kaisers behandelt (ab den 70er-Kapiteln des
18. Buches), zu derjenigen der ersten Edition verhält. Durch eine Analyse der Haupt-
und Parallelüberlieferung kann er zeigen, dass das Herrscherbild konsistent blieb, ob-
wohl die zweite Edition nach Justinians Tod veröffentlicht wurde.
Das zweite Kapitel „Die Gattung der Chronik? wird von Richard Burgess (Ottawa)
und Michael Kulikowski (Penn State) eröffnet, deren Beitrag die häufig diskutierte
Frage aufgreift, wie das Werk des Malalas eingeordnet werden kann. Anders als bei
zahlreichen anderen historiographischen Texten kann über den Titel nur bedingt
auf den Inhalt rückgeschlossen werden, da er nicht eindeutig bestimmbar ist: In den
griechischen Manuskripten erscheinen enkyklion, ekloge und ekthesis. Andere Autoren
sprechen hingegen von chronographia (Johannes von Damaskus) und von historia
(Konstantinische Exzerpte). Kulikowskis und Burgess’ Gattungsdefinition zufolge,
die auf der Untersuchung des zeitgenössischen Sprachgebrauchs und einem Vergleich
mit zahlreichen anderen Werken basiert, ist Malalas’ Schrift keine Chronik, die durch
ein strenges zeitliches Raster geprägt ist, sondern eine Art breviarium, eine kleine
Weltgeschichte. Diese These ist auf der Tagung kontrovers diskutiert worden, da die
vorgeschlagene Definition von der gängigen Klassifizierung des Werkes des Mala-
las abweicht. Komplementär zu diesem Zugriff auf der Makroebene verhält sich der
folgende Beitrag von Anne-Marie Bernardi und Emmanuele Caire, in dem die Gat-
tungsfrage eng am Text erörtert wird. Durch die Untersuchung von Malalas’Arbeite-