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Carrara, Laura [Hrsg.]; Meier, Mischa [Hrsg.]; Radtki-Jansen, Christine [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 2): Die Weltchronik des Johannes Malalas: Quellenfragen — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.51242#0240
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Diplomaten und Anekdoten

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Quellen gar nicht oder nicht in der bei Malalas vorhandenen Dichte auffindbar sind.15
Diesen Umstand hat man mit seinem beruflichen und kulturellen Umfeld in Verbin-
dung gebracht. Dass wir es bei Malalas nicht mit einem tumben Mönch, sondern mit
einem nach den Maßstäben der Zeit gut ausgebildeten Menschen zu tun haben, darf
mittlerweile als communis opinio gelten; sicherlich hat er eine gründliche Erziehung
im Griechischen, wahrscheinlich auch in griechischer Literatur und Rhetorik durch-
laufen.16 Damit besaß er auch ausreichende Grundkenntnisse für jene Tätigkeit in der
Bürokratie seiner Heimatstadt Antiochia, die ihm seit den 1980er Jahren wiederholt
zugeschrieben worden ist. In dem im 5. und frühen 6. Jahrhundert blühenden, kosmo-
politischen Antiochia befand sich das Hauptquartier des comes Orientis, des magister
militumper Orientem und des Prokonsuls der Provinz Syria I, sodass diese Stadt ohne
Zweifel als ein Schlüsselzentrum der zivilen und militärischen Verwaltung dieser Re-
gion betrachtet werden kann.1? Einige Charakteristika und Interessensschwerpunkte
der Chronographia legen nahe, dass Johannes Malalas mit dem Verwaltungsapparat
der Regierung vertraut und womöglich selbst in der Stadtverwaltung aktiv war.18 In
größeren Teilen der jüngeren Forschung hat man ihn darauf auf bauend als einen mitt-
leren bis hohen Beamten identifiziert, der in der kaiserlichen Bürokratie von Antio-
chia, vermutlich im Umfeld des comes Orientis, beschäftigt war.19 Diese Identifizie-
rung wiederum wird meist mit der These verknüpft, dass Malalas sich für Teile seiner
Darstellung auf Archivakten, auf Berichte kaiserlicher Offizieller oder auf consularia
(Listen der römischen Konsuln inklusive einer Sammlung von in ihren Amtszeiten
geschehenen Ereignissen) gestützt haben könnte. Die Möglichkeit einer Miteinbe-
ziehung solcher Quellen ist zuletzt allerdings kontrovers diskutiert worden.20 Auf eine
15 Die ausführlichen Informationen, die uns Malalas über zeitgenössische Erdbeben vermittelt, sind dafür
nur das bekannteste Beispiel (zu den Besonderheiten der dort zur Anwendung kommenden Quellenfor-
men vgl. den Beitrag von Laura Carrara in diesem Band). Auch für andere Bereiche bietet Malalas
wichtige Informationen, durch die zeitgenössische Darstellungen, beispielsweise bei Prokop, ergänzt
oder korrigiert werden können: Vgl. dazu etwa Scott (1985); Greatrex (2016); siehe auch den folgenden
Abschnitt dieses Beitrags.
16 Croke (1990), S. 3 stützt sich für diese Erkenntnis v.a. auf die (auch in der syrischen Wurzel seines
Namens gespiegelten) Bezeichnung des Malalas als „Rhetor“ durch den jüngeren Zeitgenossen
Euagrios Scholastikos. Ähnlich bereits Jeffreys/Jeffreys/Scott (1986), S. xxii; vgl. außerdem Greatrex
(1998), S. 66; Jeffreys (2003), S. 502-503; Thurn/Meier (2009), S. 22. Anders dagegen Treadgold (2007),
S. 252; skeptisch auch Thesz (2016), der betont, dass Malalas’Ausbildung maßgeblich durch christliche
kulturelle Inhalte bestimmt gewesen sei. Vgl. dazu jetzt auch die Diskussion durch Laura Carrara in
diesem Band.
17 Vgl. Downey (1961), S. 317-559; zur Bedeutung der Stadt für die Reichsverwaltung sowie zu den mög-
licherweise vorhandenen Archiven siehe außerdem Croke (1990), S. 6; Jeffreys (1990), S. 208. Gerade
zur Frage nach Archiven siehe aber jetzt die skeptische Einschätzung im Beitrag von Michael
Kulikowski in diesem Band.
18 James (1990), insb. S. 222-223; für zusätzliche Anhaltspunkte im Vokabular vgl. außerdem Thurn/Meier
(2009), S. 21 Anm. 64.
19 So Jeffreys/Jeffreys/Scott (1986), S. xxii; Croke (1990), S. 11, 19; Jeffreys (2003), S. 505; Puech (2006),
S. 214-215; Thurn/Meier (2009), S. 21; Burgess/Kulikowski (2013), S. 223; Meier/Radtki/Schulz (2016a),
S. 14.
20 Die These der Archivnutzung wurde zuerst von Croke (1990), S. 9-10 und Jeffreys (1990), S. 203-205,
208-209 ausgearbeitet. Vgl. ähnlich Greatrex (1998), S. 64; Jeffreys (2003), S. 505; Thurn/Meier (2009),
 
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