Metadaten

Internationale Tagung "Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur" <2016, Tübingen>; Borsch, Jonas [Hrsg.]; Gengler, Olivier [Hrsg.]; Meier, Mischa [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 3): Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2019

DOI Kapitel:
V. Memoria unter Justinian
DOI Kapitel:
Gengler, Oliver: Memoria und Gesetzgebung: Vergangenheit und Gegenwar in den Justinianischen Novellen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.61687#0251
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
25°

Olivier Gengier

direkt an die Untertanen gerichteten Rede in Kapitel io offensichtlich -, also keinen
direkten Hinweis auf die Vergangenheit, keine ambitionierte Anspielung auf die rö-
mische Geschichte. Die Aufmerksamkeit wird auf die Gegenwart und auf die jetzigen
Aktivitäten des Kaisers gelenkt. Dies zielt vor allem darauf, die römische Identität des
Reiches zu fördern.
Implizit bezieht sich die Erwähnung der Rückeroberung Afrikas ^reparavimus) im
Kapitel 10,2 auf einen historischen Prozess: Afrika war Teil des Reiches, wurde ver-
loren, und ist jetzt wieder unter römischer Herrschaft. Dennoch ist das Denkschema
eher geographisch als historisch: Das Territorium des Reiches, Romanorum terram,
darf nicht amputiert werden, der Kaiser hat ganz Afrika zurückerobert, Libyam omnem
reparavimus. Die Fokussierung auf die geographische Ebene führt dazu, die Kontinu-
ität des Römischen Reiches, vom alten zum neuen Rom, als gesichert zu betrachten.
Obwohl die eher an die Bevölkerung gerichteten Texte sich von solchen, die sich eher
an die Eliten wenden, in der Rhetorik unterscheiden, findet sich doch beiderseits die
gleiche Ideologie wieder.32
Das Thema der Kontinuität des Römischen Reiches war ebenfalls ein Kernstück
eines Gesetzes des 1. April 534 (CJ 1,27,1),33 mit dem Justinian die administrative Or-
ganisation des frisch zurückeroberten Afrika festlegte. Es ist ausdrücklich zu betonen,
dass dieser Text laut Honoré von Justinian selbst entworfen wurde.34
Der allgemeine Ton des Textes ergibt sich aus den ersten Worten:
Quas gratias aut quas laudes domino deo nostro Ihesu Christo exhibere debeamus, nee
mens nostra potest concipere nee lingua proferre.
Wie innig Wir Unserem Herrn Jesus Christus zu danken und wie laut Wir ihn
zu preisen haben, lässt sich mit menschlichem Sinne nicht fassen, noch auch mit
Worten ausdrücken.35
Der Kaiser richtet an Gott eine demonstrative Danksagung für die Befreiung Afrikas:
... ut Africa per nos tarn brevi tempore reciperet libertatem, ante centum et quinque an-
nos a wandalis captivata, qui animarum fuerant simul hostes et corporum.
... dass Afrika in einer so kurzen Zeit seine Freiheit durch Uns zurückerhalten hat,
Afrika, welches bisher 105 Jahre lang unter dem Druck der Vandalen schmachtete,
die sowohl Geist als Körper zu verderben trachteten.36

32 Die Sprache bzw. das (schriftliche) Medium ist kein Hindernis für die Verbreitung der kaiserlichen
Ideologie, da die Gesetze übersetzt und gegebenenfalls öffentlich vorgelesen wurden. Außerdem: auch
wenn die anderen Reformgesetze nicht, wie Nov. 8, explizit alle Untertanen als Adressat haben, wurden
sie ebenfalls offiziell bekannt gemacht, wenn auch nicht genau so breit (s. Scott 1981, S. 18 und Anm. 30).

33 Zur Datierung siehe Corcoran (2016). Lillington-Martin (2018) bietet eine Gesamtinterpretation von
CJ 1,27,1-2, die den strategischen und wirtschaftlichen Hintergrund des Textes beleuchtet, die jedoch
einige Ungenauigkeiten enthält (z.B.S. 164 über die Datierung von CJ 1,27,1-2 οά^ΐ passim die Bezeich-
nung von Prokop als quaestor).

34 Honoré (1957), S. 117-119.

35 Qi,27,1, pr. (S. 125,31-126,1 Krüger, Übersetzung Schilling).

36 C/i,27,1,1 (S. 126,5-7 Krüger, Übersetzung Schilling).
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften