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Internationale Tagung "Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur" <2016, Tübingen>; Borsch, Jonas [Hrsg.]; Gengler, Olivier [Hrsg.]; Meier, Mischa [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 3): Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2019

DOI Kapitel:
V. Memoria unter Justinian
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Gengler, Oliver: Memoria und Gesetzgebung: Vergangenheit und Gegenwar in den Justinianischen Novellen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.61687#0250
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Memoria und Gesetzgebung: Vergangenheit und Gegenwart in den Justinianischen Novellen 249

Die Reform wird nicht historisch gerechtfertigt. Sie bezieht sich jedoch auf ein be-
stimmtes Geschichtsbild, das implizit bleibt, aber das eindeutig durchscheint. Explizit
wird zuvor bloß die Praxis, die das Gesetz reformiert, auf eine Undefinierte Vergan-
genheit zurückgeführt: non olim, sed ex quibusdam temporibus (.. J ex aliquo tempore
imperatoresM
Diese Art der Kritik an seinen Vorgängern ist in der Gesetzgebung Justinians
nicht selten.30 Die hiesige Besonderheit besteht eher darin, dass die Kritik nicht wirk-
lich thematisiert wird, und dass der Hinweis auf die Vergangenheit Undefiniert und
beiläufig begegnet. Der Schwerpunkt des Arguments liegt anderswo: Die Reform
wird nicht als eine Wiederherstellung präsentiert, sondern als eine Maßnahme Justi-
nians für seine Untertanen. Ein zu starker historischer Hinweis auf den status quo ante
wäre in diesem Zusammenhang kontraproduktiv gewesen. Es war aber notwendig
zu betonen, dass die reformierte Praxis nicht antik war {non olim), um das historische
Paradigma Roms zu schützen.
Die Rhetorik passt sich der Zielgruppe an: das Engagement des Kaisers zu Guns-
ten seiner Untertanen und die Notwendigkeit für jene, ihre Loyalität zu bezeugen,
werden eng mit einander verknüpft. Gott hilft dem Kaiser, seine Mission zu erfüllen,
und begrüßt dessen Handeln:
Magno itaque deo et salvatori nostro lesu Christo omnes similiter offerant hymnospro
hac lege, quae eis dabit etpatrias habitare caute et propriasfacultates haberefirmissime et
iudicum frui iustitia. (.. J dedignantes imitari eos qui ante nos imperaverunt (.. J. Nos
autem sufficientem imperio quaestum esse putamus, ut collatores sola fiscalia conférant
tributa, et nihil aliud extrinsecus quaeratur, quod subiectis omnem commoveat vitam.
Wir wollen also dem allmächtigen Gott und Unserem Heilande Jesus Christus alle
zugleich Danklieder anstimmen für das gegenwärtige Gesetz, welches [den Unter-
tanen] gewähren wird, dass sie mit Sicherheit im Vaterlande bleiben, ihr Vermögen
ohne Gefährdung besitzen und sich der Gerechtigkeit ihrer Obrigkeiten getrosten
können. (...) Wir haben es für Unserer unwürdig gehalten, in die Fußstapfen un-
serer Vorgänger zu treten (...). Wir halten es für hinlänglich zur Bestreitung der
Staatsbedürfnisse, wenn die Untertanen bloß ihre Abgaben entrichten, nicht aber
soll außer diesen noch auf andere Weise von ihnen etwas beigetrieben werden, was
ihnen das ganze Leben zerrüttet.31
Nur in diesem Zusammenhang bietet der Text einen Vergleich zwischen Justinian
und seinen Vorgängern - aber in einer Art, die die Initiative des Kaisers nochmals
betont {dedignantes imitari eos qui ante nos imperaverunt), und dabei sein Engagement
für seine Untertanen.
In diesem Fall gibt die Propaganda, die sich an die Untertanen richtet - dies
scheint angesichts der im Abschluss getroffenen Publizitätsmaßnahmen sowie der

29 Nov. 8. pr. (S. 64,25 und 31-32 Schöll/Kroll).

30 Honoré (1978), S. 22.

31 Nov. 8, ii (S. 74,41-75,2,75,16-17 und 24-27 Schöll/Kroll), Übersetzung Freiesleben mit Modifikationen.
 
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