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Internationale Tagung "Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur" <2016, Tübingen>; Borsch, Jonas [Hrsg.]; Gengler, Olivier [Hrsg.]; Meier, Mischa [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 3): Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2019

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VI. Die Chronik als Memorialgattung
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Scardino, Carlo: Historische und Theologische Diskurse in den Lateinischen Chroniken des 5. und 6. Jh. n. Chr.
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https://doi.org/10.11588/diglit.61687#0266
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Historische und theologische Diskurse in den lateinischen Chroniken

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Selbsterlebtes oder von Augenzeugen mündlich bzw. schriftlich Erzähltes berichtet,
die Gestaltung der erzählten Ereignisse und ihre Interpretation durch die Verwen-
dung bestimmter Deutungsmuster und Diskurse, die trotz der Aufsplitterung der oft
extrem kondensierten Geschehensabläufe in mehreren Einträgen klar zum Vorschein
kommen. Diese Unterschiede illustrieren somit die Eigenheiten jedes Chronisten, der,
wie zu zeigen sein wird, bei allen gattungsgebundenen Kriterien doch einen nicht zu
unterschätzenden gestalterischen und interpretatorischen Spielraum besaß.17
i. Überleitungsformeln und methodologische Überlegungen
Da sich diese Werke an Hieronymus’ Chronik, die in den Handschriften bisweilen in
einer etwas veränderten (verkürzten) Fassung erscheint, anschließen und diese wei-
terführen, wird der Übergang zur Fortsetzung meistens durch eine einfache Formel
markiert, die bereits Hieronymus verwendet hat.18 Dieser hatte die schon im Vorwort
(5F Helm)19 erwähnte Fortsetzung zum Jahre 326 mit dem folgendem Satz kenntlich
gemacht, in dem er die Werkgrenze {hue usque) seines namentlich erwähnten Vorgän-
gers nennt und kurz in 1. Person Plural auf seinen bevorstehenden Beitrag verweist:
„Bis hierhin hat Eusebius, der Gefährte des Märtyrers Pamphilos, die Geschichte
geschrieben. Daran haben wir das folgende unten hinzugefügt“ {hue usque historiam
scribit Eusebius Pamphili martyris contubernalis. cui nos ista subiecimus Helm).
Diese Formel nimmt Prosper (c. 1166) auch hinsichtlich der Syntax wieder auf
und markiert damit den Übergang im Jahr 378 n.Chr. zu dem von ihm bearbeiteten
Teil: „Bis hierhin hat der Priester Hieronymus die Reihe der vorangehenden Jahre
geordnet. Wir haben es besorgt, die Ereignisse hinzuzufügen, die folgten“ {hucusque
Hieronymus presbyter ordinem praecedentium digessit annorum. nos, quae consecuta sint,
adicere curavimus) H
Ebenso weist die in den Handschriften Prosper zugeschriebene, in Wirklichkeit
aber von einem unbekannten Chronisten verfasste Gallische Chronik von 452 fast die-
selbe Formel auf, wobei aber anstelle des Pluralis modestiae der Name des Fortsetzers
steht: „Bis hierhin hat der Priester Hieronymus die Reihe der vorangehenden Jahre

17 Darauf weisen auch Burgess/Kulikowski (2013a), S. 53 hin: „Chronicles ... allowed for authorial intru-
sion and comment, even as they lacked the ample internal narrative of regular classicizing histories.
Chroniclers could provide descriptions, make judgements, explain causality, and offer comments on
people ad events, if only in the form of an adjective or adverb.“

18 Ausnahmen bilden, wie schon erwähnt, die Gallische Chronik von 511, Cassiodor und Isiodor, deren
Werkejeweils eine einheitlich konzipierte Epitome ohne Uberleitungsformeln darstellen.

19 a Constantini (= 326 n.Chr. ) autem supra dicto anno usque ad consulatum Augustorum Valentis sexies et
Valentiniani iterum totummeum est (= 378 n.Chr. ).

20 Der lateinische Text stammt für Prosper, die beiden Chroniken von 452 und 511 und Hydatius aus den
Editionen von KFHist, für Hieronymus aus Helm (1984) und für die anderen Autoren aus Mommsens
Chroniti Minores. Die deutsche Übersetzung von Prosper stammt aus der Edition von Becker/Kötter
(2016), diejenige der beiden Gallischen Chroniken aus Kötter/Scardino (2017). Die Übersetzungen der
übrigen Texte (Hieronymus, Hydatius, Marcellinus, Marius) stammen vom Verfasser dieses Beitrags.
 
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